Ich bin zweimal geschieden und mir gehts super!

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Anna Hapichler-Alfe ist zweimal geschieden.

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Kaum hab ich das Bizzo in der Zollergasse betreten, humpelt mir Anna schon gutgelaunt entgegen. Sie sei beim Tanzen von ihren High Heels runtergefallen, lacht sie und führt mich zu ihrem Tisch. Bei einem Latte und biologischer Pasta beginnen wir unser Gespräch über Männer, Familie und Neuorientierung. Mit Manuel, so heißt der Vater ihres älteren Sohnes Moritz, war es Liebe auf den ersten Blick. Bis heute sind die beiden Seelenverwandte. Sie haben damals sofort geheiratet und sind bis heute beste Freunde. Aber er ist der totale Partylöwe und nach der Geburt von Moritz war Anna ganz auf Mutter unterwegs. Daher war es bald klar, dass sich ihre Liebe nicht ausgeht. Anna trennte sich von ihm.

Familie Rockt: Aber wenn ihr euch so geliebt habt, musst du doch nach der Trennung todunglücklich gewesen sein!
Anna: Ja total. Aber trotzdem habe ich immer gewusst, dass das auf lange Sicht nicht gut geht. Er ist ein Checker und Party-Organisator, aber mir ist die High Society wurscht. Ich bin zufrieden, wenn ich mit den Zechen in der Erde burln kann.

Als sich Anna von Manuel trennte, war Moritz erst zwei Monate alt. Mit dem Baby zog sie zu ihrer Mutter, einer Volksschullehrerin. „Das war aber fast der größere Schock. Meine Mutter war einfach supermühsam. Und ich habe in meinem alten Kinderzimmer gewohnt und immer war die Mutter da, die mir erklärt, wie ich das Baby handeln soll. Aber gleichzeitig habe ich mir nicht von ihr erwarten können, dass sie mir  Moritz dann abnimmt, wenn wirklich Alarmstimmung war.“ Ihre Mutter sei einfach kein Omatyp.

Familie Rockt: Hast du gegenüber Manuels späteren Freundinnen nie Eifersuchtsgefühle gehabt?
Anna: Der Manuel ist Südländer und ich bin die heilige Gebär-Mutter seines Sohnes, daher war es von der Wertigkeit völlig wurscht, wer da an seine Seite gekommen ist, weil ich immer den Heiligenschein über den Kopf schweben gehabt habe. Und mit seiner jetzigen Freundin verstehe ich mich blendend. Wir fahren sogar gemeinsam auf Urlaub.

Familie Rockt: Hast du nach der Trennung gedacht, dass du nie mehr jemanden findest?
Anna: Ich habe sofort gewusst, dass ich sicher wieder heiraten und noch ein Kind bekommen werde. Das war für mich kein Thema. Aber zwei Jahre lang wollte ich keinen Typen an meiner Seite haben. Bis ich auf der Geburtstagsparty einer Freundin einen netten Mann gesehen habe, den ich von früher gekannt habe. Kurz darauf waren Stefan und ich zusammen.

Und bald danach kam Leo auf die Welt. Und auch ein drittes Kind hätten sie gemeinsam bekommen, aber es kam zu einer Fehlgeburt. Gleichzeitig war Stefan schwer krank geworden und gerade noch mit dem Leben davongekommen. Als Anna nach der Fehlgeburt aus dem Spital kam, schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass sie und Stefan jetzt heiraten müssten. Einerseits, um eine Absicherung für Leo zu haben, und andererseits, damit nicht alles nur traurig und schwierig ist.
Sie fuhr direkt zum Standesamt und buchte den nächsten freien Termin. Zehn Tage später heirateten sie in Flip-Flops und Jeans. Ihre Eltern hatte sie nicht eingeladen. „Ich hab sie angerufen und gesagt: ‚Ich heirate jetzt den Stefan, aber nur aus versicherungstechnischen Gründen. Deswegen lade ich euch nicht ein, denn wenn ich eine Lebensversicherung abschließe, nehme ich euch ja auch nicht mit.‘“ Es war aber trotzdem ein sehr schöner, liebevoller Tag ohne jeglichen Stress. Moritz hatte sein Lieblings-T-Shirt von Wilde Kerle an und trug die Haare aufgestellt. Leo nuckelte indessen an einem Kipferl und war voller Brösel. In Summe: stimmig und familiär. Anna versteht nicht, warum Menschen hohe Geldsummen für eine Hochzeit ausgeben. „Die müssen wahrscheinlich irgendetwas kompensieren, eine Show abziehen. Ich kenne so viele, die voll auf Cindarella gemacht haben und ein Jahr später waren sie geschieden.“

Aber mit Stefan lief es auch nicht gut. Klassisches Problem: Er hat null im Haushalt gemacht. „Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen: Die totale Nähe war nie da. Und auf Dauer geht das nicht. Sowohl mit Manuel als auch mit meinem zweiten Mann hätte ich nie auf lange Sicht zusammenbleiben können, weil es eben nicht gepasst hat. Und ich finde es gut, wie es ist. Ich hab zwei super Kinder und war durch die Trennungen gezwungen, mein Leben umzustellen. Und so wie ich heute lebe, passt das genial zu mir. Die Kinder haben nichts davon, wenn die Mutter jeden Tag angefressen heimkommt. Trotz Trennungen biete ich ihnen eine heile Welt, aber die ist realtitätsgeprüft.“

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Familie Rockt: Viele Frauen wollen sich nicht trennen, weil sie Angst haben, dass sich die materielle Situation dadurch verschlechtert.
Anna: Natürlich wollte ich im Haus bleiben, aber es war mir wichtiger, dass ich mich wohlfühle. Luxus bedeutet nicht, ein schönes Haus zu haben, sondern gerne nach Hause zu kommen. Wenn dort aber ein Mensch hockt, mit dem ich nicht mehr kann, dann gefällt mir mein Haus nicht mehr.

Aber sie wollte zumindest einen Versuch unternehmen, das Haus zu behalten. Also musste sie sich beruflich verändern. Anna war damals halbtags als PR-Beraterin angestellt. Nun brauchte sie aber einen Job, der mehr Geld einbringt. Sie ließ sich kurzentschlossen zur Legasthenie- und Dyskalkulie-Trainerin ausbilden. Ausschlaggebend dafür war ihr älterer Sohn Moritz. Er tat sich schwer in der Schule. Trotzdem ließ ihn die Schule nicht auf Legasthenie testen. Ein anderer Test ergab, dass er in Mathematik hochbegabt ist. Nicht ungewöhnlich für einen Legastheniker. Dann spitzte sich die Lage zu: Moritz hatte auf eine Mathe-Schularbeit einen Vierer bekommen und auf die zweite einen Einser und jetzt sollte er nicht auf das Gymnasium dürfen. Anna erklärte der Lehrerin, dass Legastheniker wegen ihrer zeitweiligen Konzentrationsschwäche oft Leistungsschwankungen aufweisen und man ihn doch bitte wegen einem Vierer nicht aus seiner Peergroup reißen könne.

„Ich sagte zu ihr: ‚Mein Kind wurde in Ihren Räumlichkeiten getestet. Herausgekommen ist, dass er in Mathematik überdurchschnittlich begabt ist. Und jetzt darf er wegen seiner Leistung in genau diesem Fach nicht aufs Gymnasium?!‘ Dann bin ich zur Direktorin gegangen und die hat gleich gesagt: ‚Ich weiß, worum es Ihnen geht: Gymnasium ja oder nein.‘ Darauf hab ich geantwortet: ‚Nein, mir geht es um das Gymnasium ja oder ja.‘“ Anna konnte die Direktorin überzeugen. Legasthene Kinder sind oft sehr frustriert, weil sie oft überdurchschnittlich intelligent sind, jedoch einfache Dinge wie Schreiben und Lesen nicht gut hinbekommen. Das ist für sie eine enorme Kränkung. „Ich bin eine Kämpferin. Aber was ist mit der Anna Normalverbraucherin. Und: Was ist mit ihren Kindern? Also hab ich die Ausbildung gemacht und mir gedacht: Ich will zumindest ein Kind vor der Sonderschule retten.“

Gerade als Anna ihre Ausbildung beendet hatte, zog die Agentur, bei der sie bis dato gearbeitet hatte, in ein neues Büro. Die alten Möbel wollten sie nicht mitnehmen. Da hatte Anna eine plötzliche Eingebung: Wenn sie eine eigene Praxis hätte, könnte sie die Schreibtische gut gebrauchen. Also musste logischerweise eine Praxis her! Sie setzte sich an das Telefon und sechs Stunden später war alles fix. Ein befreundetes Paar besaß ein Zinshaus neben der Volksschule ihres Sohnes. Dort war auch tatsächlich eine heruntergekommene aber leistbare Wohnung frei. Sie brachte sie wieder auf Vordermann und jetzt betreibt sie dort bereits seit über einem Jahr ihre eigene Praxis. Schon Erstklässler können alleine zu ihr kommen, weil die Praxis so nahe an der Schule liegt. „Ich sehe mich als eine Dolmetscherin. Ich mache die Hausübung mit den Kindern und übersetze ihnen die Aufgabenstellung. Ich habe dazu Millionen von Hilfsmaterialien, aber die brauche ich nur, wenn ich nicht mit Worten übersetzen kann. Wenn das nicht geht, brauchen die Kinder etwas zum Anfassen und Fühlen. Und das Beste ist: Ich habe schon ein Kind vor der Sonderschule gerettet.“

Stefan kommt und geht heute wann er will, um die Kinder zu sehen. Mit Manuel und seiner Freundin läuft sowieso alles bestens. Anna fühlt sich wieder frei und rundum wohl: „Ich kann nur sagen, ich bin zweimal geschieden und ich fühle mich super!“ •

Familie Rockt ist ein Elternmagazin und Elternblog – Portal. Das Magazin erscheint alle zwei Monate und bietet nette Artikel für Mütter und Väter und solche die es werden wollen. Auf www.familierockt.com können Eltern über ihr Leben mit Kindern bloggen.

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Ein Kommentar

  1. ich bin beeindruckt. Wie verschieden Menschen mit Ereignissen umgehen, warum die eine so, die andere anders. Nicht zu hadern, sondern zu handeln, scheint der Schlüssel zu sein und das wo man gerade ist, nie als endgültig zu betrachten, es kann es ja niemals sein, also gibt es Freiheit. Ich bin beeindruckt!

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