Gratuliere mir!

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Eines der schönsten Jahreszeiten ist angebrochen. Schweiß, 2 Mal am Tag duschen, länger schlafen, viel trinken, radln, lauer Wind, im Park sitzen, durch die Strassen streunen…Und das Beste: Die Kinder haben wieder ein Jahr in der Schule umgebogen.

Der 16jährige hat die 6. Klasse geschafft

Mein großer Lenni hat keinen Fünfer im Zeugnis und in manchen Fächern unverhoffte Dreier und Einser. Und dafür, dass er sich schon merklich für das Nachtleben interessiert, als DJ jobbt und selber Musik macht etc. bin ich ganz zufrieden mit der Performance. Außerdem darf man nicht vergessen: Der Junge war in einer öffentlichen Volksschule! Und zwar im Bezirk mit dem zweithöchsten AusländerInnen-Anteil von Wien! So eine Schule, in der die Kinder verkommen, nichts lernen und sie verkümmern lassen. BildungsbürgerInnen finden das ganz super, dass Lenni in so einer Schule war, aber sie erblassen vor Schreck bei der Vorstellung, dass ihr Kind vier Jahre lang neben lauter Milans und Marcels sitzen müsst! Und vielleicht sind auch noch ein paar Kinder dabei, deren Eltern FPÖ wählen! Ist das nicht gefährlich? Schadet das nicht dem feinen Geist meines Kindes?

Multikulti ist zwar das Ziel der liberalen Elite und man hasst die FPÖ-WählerInnen, weil sie AusländerInnenfeindlich sind – aber die eigenen Kinder setzt man dem Multikulti lieber nicht aus. Da werden Montessorischulen und Lernwerkstätten und kirchliche Privatschulen bezahlt und fromm geglaubt: Dort lernt das Kind ein besserer Mensch zu sein. Vielleicht sogar ein noblerer Mensch. Und außerdem wird dort auf die zarte Seele des Kindes nur mit geistigen Samthandschuhen eingewirkt. Denn die Elite hat nur zartbesaitete sensible Kinder. Die brauchen viel Freiraum und wenig Zwang. Danach müssen sie auf ein gutes Gym. Das gute Gym ist jenes, in das die anderen befreundete Eltern ihre Kinder geben.

Mein Sohn war einer von zwei Kindern in seiner Klasse, deren Muttersprache Deutsch war (Schwedisch zählt ja nicht als ausländisch). Die Lehrerin hat es trotzdem geschafft zu erkennen, dass der Milan, der immer in Raufereien verwickelt war und in den meisten Fächern keine gute Leistung erbrachte, eine Hochbegabung in Mathematik hat. Daher ging er gemeinsam mit dem Lenni in den Hochbegabtenkurs am Nachmittag. Das andere österreichische Kind hatte keine Hochbegabung. Und die Lehrerin hat es auch geschafft, dass ein anderer sehr schwieriger Junge, deren Mutter ins Frauenhaus ziehen musste, weil der Vater gewalttätig war, am Ende der Volksschule gute Noten hatte und zeigen konnte, was alles in ihm steckt. Lennis Freunde kamen aus Russland, Armenien und Südamerika und waren wahnsinnig gescheite und wiffe und sehr liebe Burschen.

Danach wechselte er ins Gym. Dort gibt es nicht mehr so viele AusländerInnenkinder. Dafür ziemlich viele wohlstandsverwahrloste Sprossen, die den ganzen Tag tun können, was sie wollen, inklusive teure Klamotten kaufen und kiffen. Sie sind so zartbesaitet, dass man ihnen den regelmässigen Schulbesuch nicht abverlangen kann und um die Zeitfenster optimal zu nutzen, in denen die Kinder aufnahmefähig sind, wird fast täglich eine Nachhilfestunde gebucht. Außerdem braucht es Motivatoren, um die Kinder sanft zum Lernen hinzuführen. Einmal einen Mac, eine Acne-Jean oder auch andere Mittelchen. Man hört zum Beispiel, dass auf der Schule Koks und Ecstay im Umlauf sein sollen. Eine Ecstaytablette kostet übrigens 7€. Das ist zwar alles etwas zynisch formuliert von mir, aber im Kern wahr.

Ich glaube, dass die Volksschule den Lenni sehr gut aufs Leben vorbereitet hat. Er konnte sich dort nicht nur das Lesen und Schreiben aneignen, sondern lernte auch die Gesellschaft besser kennen und durch die Schichten schätzen.

Die BildungsbürgerInnen und ihre untalentierten Kinder

Was die ängstlichen BildungungsbürgerInnen nicht verstehen: Den Vorsprung, den ihre Kinder dadurch mit ins Leben nehmen, dass sie  BildungsbürgerInnen sind, kann keine öffentliche Volksschule verkleinern. Der Vorteil des Bildungselternhauses wiegt zu schwer. Unfair, aber so ist es. Warum brauchen sie also noch weitere Vorsprünge? Sind ihre Kinder so untalentiert? Nein, wenn das Kind die Schule nicht packt, dann ist natürlich das Schulsystem (was oft natürlich auch teilstimmt) schuld – obwohl sie zu jener Gesellschaftsgruppe zählen, die mit großtem Aufwand und Bedacht die „beste“ Schule auswählen.

Meine kleine Fritzi ist mit der Volksschule fertig und hat einen Zweier und sonst lauter Einser. Sie hat die AHS-Reife somit geschafft. Oder wie sie selber sagt: Die ADHS-Reife.

Sie wird die nächsten Jahre trotzdem nicht aufs Gym gehen. Sondern auf eine neue Mittelschule. Sehr hoher AusländerInnenkinderanteil natürlich. Sehr guter Rektor. Er macht sich zu jedem Kind einzeln Gedanken. Die Schule ist sehr strukturiert und baut stark auf neue Medien. Fritzi braucht klare Strukturen und gut durchdachte Inhalte. In dieser Schule gibt es das. Danach wechselt sie auf ein Gym, weil die neue Mittelschule die zweiten vier Jahre nicht anbietet. Ich bin sicher, dass diese ersten vier Jahre meiner Tochter sehr gut tun werden. Sie wird Menschen aus allen Gesellschaftsschichten kennenlernen und Gemeinsamkeiten finden. Und wir werden durch sie wieder neue Kinder kennenlernen, mit all ihren Familiengeschichten und ihren Talenten. Ich freu mich sehr darauf!

noten

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13 Kommentare

  1. Patrice, du bist echt die Coolste. Ich lese deinen Blog total gern, kann so gut wie immer nur zustimmend nicken und manchmal muss ich auch zustimmend lachen.

  2. Der macht „Viecher“-Kungfu (Sorry, injoke. Ist eh gut) Aber für den Käfig würde was pragmatischeres (schwedisch) aussuchen. Es geht um viel Asche. Darum, dass Mami und Papi nicht mehr arbeiten gehen müssen

  3. Fritzi braucht eh keine Schule, sie wird MMA-Fighterin. Und bei Käfigkämpfen mächtig Asche verdienen. So mein Plan. Wirst mächtig stolz sein.

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