Kurzwaren

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nach der, psst nicht aussprechen, Arbeit im Glashaus spazierte ich

um frische Luft ringend durch den 1. Bezirk. Touristen scheinen

Wien in Wellen zu bevölkern, zu Ostern die Italiener, dieses Mal

schwappte eine Kreuzfahrtbesatzung auf den Stephansplatz.

 

Nationalität konnte ich nicht ausfindig machen, ist auch

nicht von Belang,  zudem war ich viel zu fasziniert von Kapitäns

mützen, gestreiften Pullovern, Ankergeschmückten Halstüchern,

um mich auf eine mir fremde Sprache zu konzentrieren.

Trägt man auf einem Donauschiff jetzt Marinelook?

Dreht man sich am Abend zum langsamen Walzer oder flotten

Discofox, der Altersdurchnitt lag bei circa 60, im weißen Leinen

mit gldenen Knöpfen?

 

Ich werde es nie erfahren, aber ich verstehe es schon, das Maritime

geht immer, schmückt ungemein, übertreiben sollte man halt nicht,

so als alte Landratte.

Ich liebe Ringelshirts seit Gaultier, dem stand und steht das so gut,

aber eigentlich entdeckte ich mit 12 auf Teneriffa meine Zuneigung,

angesichts der sportiven spanischen Bademeister in blau weiß gestreift,

Vielleicht meine erste Obsession, denn ich beobachtete sie stunden

lang verzückt, so ein kräftiger Oberarm in adretter Himmelwolken

farbe?

Gar nicht so übel, allerdings mit den Outfits heute hatte das wenig

zu tun.

Aber gut, ich bin auch seemeilenweitgegerbt von meiner

klaren 12 Jährigen Haut , im Galshaus sitz ich schon jeden Tag

also keine Steine schmeißen.

 

Mit solch banalen Gedanken durch die Hofburg und im Vorüber

ziehen, denke ich mir, es ist als sei nach langer Nacht alles aufgewacht

und bevölkert wie Dornröschen, als seien wir eingefroren gewesen

und jetzt raus, raús, raus.

Noch ein bisschen winterstarr, noch un

sicher der Schritt in leichterem Schuhwerk, aber jeder Schritt ein

Zeigen,

Hallo seid ihr auch schon alle wieder da?

Ich misstraue dem Ganzen ja noch ein wenig, gestern am Yppenplatz,

jaja ich weiß schon Bobo, Dachgeschoss..the same procedure as every

year, war ich mit 3! Ersatzjacken bestens vorbereitet,

falls das alles nur ein uns foppendes Intermezzo sein sollte

und plötzlich Schnee vom Himmel fällt.

Schwupps ist es Sommer, schwupps ist das Kind groß und vielleicht

schwupps bin ich alt und wenns gut läuft trabe ich dann mit Ankerhals

tuch Sihtseeing auf irgendeiner Reeling an Land.

 

Ja ohne Melancholie bin ich scheinbar nie, ich finde sogar, der

Frühling lässt sie sprießen,

an jedem Eck ein Liebespaar

 

ich gehe allein.

 

Schwupps warte ich auf den 46 er, wie viele andere.

Sehe ein seltsames Paar, Sommerfein gemacht mit karierten Hosen

und Sakkos, 4 verschiedene Mustervierecke, kein Augenschmaus

die Beiden.

Voreingenommen und Geruchsempfindlich nehme ich mir angesichts

der Kammspuren in seinem Haar vor,  Abstand zu halten, sitze dann

aber genau vor ihnen.

Während der Fahrt höre ich ihnen zu,

sie sind reizend.

Eigentlich holt ja der Mann die Frau ab, aber ich habe es anders

gemacht, kokett spricht sie diesen Satz. Ich schätze sie auf

mindestens 70 Jahre. Er habe sich so gefreut darüber und sich gewundert, “ dass du tanzt, damit habe ich nicht gerechnet, damit

habe ich nicht rechnen können.“

Ich habe ein schlechtes Gewissen und mag mich nicht in meiner

Voreingenommen-  und Oberflächlichkeit.

Die Beiden haben viel

viel

Zartes.

Dass ein Tortenstück jetzt schon 30 Schilling kostet, das regt sie

auf.  Ich rechne nach und frage mich, wo es das denn überhaupt noch

geben sollte, und dass es schön für ihn war beim Schöps zu arbeiten

am Salzgries.

Sie ist stolz auf ihn.

Ganz aufgeregt empfiehlt sie ihm jetzt, ja jetzt nach rechts zu sehen

“ Da ist es, da  da gibt es ihn noch meinen Einziehgummi, den brauche

ich immer wieder, ich freue mich so, dass es das Geschäft noch gibt“

Ja das ist schön, er ist ganz bei der Sache.

 

Der gemeinsame Ausblick ins Kurzwaren geschäft ein andächtiger

Moment,

schöner kanns am Kreuzfahrtschiff nicht sein.

 

Ich steig aus

und bin gerührt, so ohne chi chi, so ohne tam tam, so ohne jeden

Zeitgeist,

ganz einfach

schön,

wenn zwei sich verstehen.

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Ein Kommentar

  1. elsa, the living on

    was für eine schöne reisebeschreibung!

    der frühling läßt die melancholie sprießen – ja so empfind ich das auch oft. aber diesmal gehts so schnell, ist ja schon sommer…

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