Die Vintage Mama und die Retro Tochter

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Die Vintage Mama und die Retro Tochter. Eine kleine Seitengasse in Wien Wieden. Ein Bißchen versteckt liegt dieser Altwaren-Laden. Drinnen macht sich aber ein weites vergangenes Land auf. Vollgefüllt mit geheimnisvollen eigenartigen Dingen. „Sammeln mit Stil“ heißt es.

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Der zweite Blick fällt auf einen großen Käfig im Eck. Im Käfig drinnen sitzt eine Krähe. Sie heißt Orphelia und verstärkt die mystische Stimmung im Raum um einige Grade. Aus dem Hinterzimmer kommt Melina Schweighofer, die Besitzerin des Altwaren- und Vintage -Ladens. Sie ist 25 Jahre alt, könnte aber auch 18 sein, hat gleich mehrere Ringe mit großen blutroten Steinen an den Fingern und ein freundliches wissendes Grinsen im Gesicht. Sie könnte genauso gut aus einem Harry Potter Film stammen.

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Kinder und Karriere

Schon ihre Mutter Evelyn betrieb ein Altwarengeschäft in Wien Favoriten. Vor drei Jahren hat sich ihre Tochter vollberuflich in die Welt der Räumungen, Nostalgikerinnen und Messis geworfen. Evelyn hilft aber immer noch mit. Mutter und Tochter sind ein gutes Team.

Evely:n“ Ich hab die Melina erst mit 40 Jahren bekommen und das war auch gut so, denn ich bin eine jähzornige Person gewesen. Heute kann mich nichts mehr aufregen. Aber Enkel brauch ich auch nicht sofort.“

Melina:“ Ich bin auch ziemlich aufbrausend. Ich kann dahermit dem Kinderkriegen gut warten, bis ich 40 bin. Bis dahin nehme ich mir ein Patenkind, mit dem ich am Wochenende was unternehme.“

Eine anachronistische Kindheit

Evelyn hat schon mit 8 Jahren einen Hang zum Alten gehabt. Nach dem Krieg wollten die Menschen alles  Alte wegwerfen. Man wollte ein neues modernes Leben. Aufbruchstimmung. Die Vergangenheit hinter sich lassen. Die kleine Evelyn sah das gar nicht gerne. Wenn ihre Eltern den Hausrat auf die Müllhalde kippte, lief sie mit dem Leiterwagen hinterher und holte die Sachen wieder aus der Grube und zog sie unter großer Antstrengung wieder nach Hause.

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Klein-Evelyn

Als junge Dame ging die gebürtige Gloggnitzerin oft zum 5 Uhr Tee ins Panhans. dorthin ging man schon am Nachmittag im Cocktailkleid. Das Panhans war das „Adlon“ der Wiener Sommerfrischler und zum 5 Uhr Tee kam man im Cocktailkleid. Ein Prachtbau aus dem Fin-de-Siècle. Hier gastierten Oskar Kokoschka, Arthur Schnitzler, Adolf Loos, Stefan Zweig und viele mehr. Zeitweise war das Panhans das größte Hotel Europas. In den 30er Jahren bekam das Panhans ein eigenes Alpenstrandbad mit verschiebbaren Glaswänden. Das Hotel wurde 1945 arisiert und nach dem Krieg vom österreichischen Verkehrsbüro übernommen. Doch die Tee-Partyíes hielten nicht lange an. 1969 war schluss mit lustig. Das Verkehrsbüro hatte das Hotel in den Ruin geführt. Erst in den 80er Jahren wurde es wiedereröffnet. Zum Entsetzen von Evelyn wurde nicht nur zugebaut, sondern auch große Teile des Originalbaus abgerissen. Nicht zuletzt das historisch einzigartige Bad. Die stehengelassenen alten Teile wurden in Ferienwohnungen umgewandelt und das Interieur entsorgt. Evelyn und auch viele andere KennerInnen versuchten möglichst viel aus dem Haus zu retten. Viel war da aber nicht zu machen.

Evelyn: „Das habe ich nicht verstanden. Nach dem Krieg ja gut. Aber in den 80er Jahren hätte man natürlich wissen müssen, dass das Panhans nicht irgendein Haus ist.“

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Altwaren goes Design

Zu der Zeit hatte sie ihre Leidenschaft bereits zum Beruf gemacht und hat so einiges dazu beigetragen, dass in Wien Design bewahrt wird. Die Designerin Lena Hoschek bezieht bespielsweise hier alte Modemagazine und Stoffmuster, aus denen sie Inspiration für neue Kreationen holt. Viele Geschäfte in Wien lassen die beiden Händlerinnen ihre Inneneinrichtung zusammenstellen. Sie wissen genau was gutes Handwerk ausmacht und welche Geschichte die Dinge haben. Trotzdem verlangen Mutter und Tochter kein Haus für ihre schmucken Stücke. Die Ware muss schließlich bewegt werden.

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Messis in action

Das Altwaren-Metier ist voller Überaschungen. Man weiß nie was einem in einer Wohnung erwartet. Einmal kam so ein starker Gestank aus der zu räumenden Wohnung, dass die anderen Händler gleich an der Tür kehrt machten. Evelyn und Melina übernahmen den Auftrag aber konnten immer nur einzelne Teile aus der Messi-Wohnung holen weil der Gestank unerträglich war. Kurz die Tür öffnen, schnell reinschlüpfen, irgendein Gegenstand packen und rauslaufen. Die Räumung dauerte monatelang. Irgendwann waren sie endlich in der Küche angekommen und Evelyn lehnte sich kurz an den Küchentisch. Dieser wackelte stark und es stellte sich heraus, dass es sich um eine Badewanne handelte auf der eine ausgehängte Tür lag. Als sie diese wegschoben, sahen sie endlich warum es so bestialisch stank: Die Badewanne war voll mit Koth. Hier hatte eine Frau gewohnt, die nicht einmal ihren Koth wegschmeissen konnte.

Melina:“ Ich habe einen Freund, der auch ein Messi ist. Letztens hat die Feuerwehr seine Wohnung zwangsausgeräumt. Das war furchtbar für ihn. Wenn die Wohnung dann leer ist, ist das für den Messi schon auch ein netter Anblick, aber es dauert nicht lange, dann sammelt er wieder. Mein Messifreund ist übrigens ein ganz junger und netter Kerl. Man würde nie denken, dass er ein Messi ist.“

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Verlassene Tiere und Menschen am Prüfstand

Wie die Krähe Orphelia zu Melina gekommen ist? Und warum sie in einem Käfig sitzt? Melina hat sie eines Tages gefunden. Sie konnte offensichtlich nicht fliegen und war gezwungen am Boden herumzutrippeln.

Melina: “ Der Spruch `ein Rabe hackt dem anderen kein Auge aus´ ist leider nicht war. Ein Rabe oder eine Krähe die nicht fliegen kann, wird von den anderen attakiert und getötet.“

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Melina ist nur eingeschränkt Fleisch

Jetzt wohnt er bei Melina, genauso wie Lea, die kleine Hündin. Der Vorbesitzer wollte sie nicht mehr haben. Nachdem Melina ihr eine Extrawurschtscheibe gegeben hatte, meinte er sie könnten sie gleich mitnehmen wenn sie sich so verantwortlich fühlten. Genauso wie der Missoni-Erbe, dessen Haus Melina geräumt hat. Die tote Tante hatte ihm so einiges vermacht, so auch ihre Katze, die sie heiß liebte. Das konnte man mehr als eindeutig an ihrer Wohnungseinrichtung erkennen. Die Baronin hatte auf jeder Tasse und Polster Katzen abgebildet. Und was war das erste was der Erbe machte? Er ließ das Tier einschläfern. Sowas kann Melina nicht verstehen.

Melina: “ Er hätte sie ja mir geben können. Ich hätte sie gerne bei mir aufgenommen.“

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Überhaupt werden oft Tiere in den Wohnungen der Verstorbenen aufgefunden. Für die müssen die beiden dann auch immer ein Plätzchen finden. Melina ist aber nicht nur Tierliebhaberin sondern auch eine gute Menschenkennerin. Sofort wenn jemand zur Tür herreinkommt, sieht sie ob dem zu trauen ist oder nicht. Und auch wenn ihre Freundinnen einen neuen Freund haben, kann sie gleich erkennen ob die was taugen. Wenn der ein Alkoholiker ist, sieht sie das sofort. Wenn er ein Zuhälter ist deto. Selber hat sie sehr konkrete Vorstellungen davon wie ihr Freund sein soll.

Mutter Tochter

Melina: “ Ich will einen Mann, der so ist wie früher die braven Ehefrauen. Er soll lieb, treu, häuslich, schüchtern und zuverlässig sein. Nachdem ich nicht so der mütterliche Typ bin, wäre es auch gut, wenn er mehr die Mutterrolle übernehmen würde.“

Der eigene Papa hat sich bald vertschüsst und die zwei Damen ihrem Schicksal überlassen. Aber, wenn man die beiden so sieht, scheint das kein größerer Fehler gewesen zu sein.

Adresse:

Sammeln mit Stil

Schaumburgergasse 5/1

1040 Wien

 

Familie Rockt ist ein Elternmagazin und Elternblog – Portal. Das Magazin erscheint alle zwei Monate und bietet nette Artikel für Mütter und Väter und solche die es werden wollen. Auf www.familierockt.com können Eltern über ihr Leben mit Kindern bloggen.

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2 Kommentare

  1. die Zwei Damen sind mir sehr sympathisch, da schau ich mal vorbei, scheint mir ein guter Platz zum Stöbern zu sein und eine guter Nachmittag für Mutter und Tochter.

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