wenn ich Anna wäre

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als Anna würde ich in Ich Form eine Geschichte erzählen.

Anna hieß meine Großmutter, Anna und ein Nachname, der nach Frühling klingt und schönem, zartem Duft.

Im Zug zurück nach Wien, ließ ich ich in meinem Kopf ihren Worten Raum, das trieb mir allerdings ein paar Tränen in die Augen, für Tränen ist kein Platz in einem vollgestopften Zug.

Die Feiertage waren dicht, zu viel Vergangenes, zu viel Bereutes wurde ausgesprochen und innerlich ergab ich mich dem Verlust der so kostbaren Gegenwart, nur in ihr liegt die Möglichkeit für Bleibendes, eine aufgewärmte Vergangenheit verblasst, Gefühle von Früher können niemals im Jetzt bedeutsamer werden.

DA muss man sein.

Jetzt.

Ich war froh dort zu sein, auch wenn es traurig war und schwierig und kein Baum, nicht einmal ein kleiner Baum.

Das hat mich schwermütig gemacht, komischerweise, die letzten 8 Jahre in Wien hatte ich immer einen besorgt, kurz vor 12 am 24.12., das war mir wichtig.

Die Wohnung meiner Mutter ist klein, man muss sich einordnen zwischen zu vielen Sesseln und Versatzstücken eines ehemaligen großen Hauses, was blieb und ihr wichtig erschien wurde nun verteilt auf 42 m und jetzt weiß ich gerade nicht, wie man ein Quadratzeichen macht.

Sie wusste damals vieles nicht, oder wollte vieles nicht wissen, über Jahre bis zu dem Punkt, an dem die Realität ihr den Auszug aus ihrem Haus innerhalb von 6 Wochen befahl, mein Vater hatte es verschwiegen, weiter spekuliert, Kredite aufgenommen, ein Loch gestopft, ein anderes riss

bis der Abgrund sich auftat.

Er war verrückt, sage ich ihr, sie kann das nicht gelten lassen, er hat sie betrogen, darauf besteht sie und darüber kommt sie nicht hinweg und ist Mitte Siebzig und will mir Briefe vorlesen, Briefe, die sie an sich selber schrieb, nie ihm zeigte, mir als Kind, den ein oder anderen, nicht für meine Ohren bestimmten,

aber ihr nun Ü40 Kind sagt “ Nein, das will ich nicht hören“

Das ist ein schwieriger Moment für sie und für mich, aber ich bestehe darauf, er war entrückt, er hat sein Leben gelebt, mit Zweit und Drittfrauen und Familien und sie, sie hat gelitten

wie Schlüssel und Schloss

und keiner hat einen Schlussstrich gezogen.

Man bleibt das Kind, wenn man bei seiner Mutter ist und mit den Jahren kehren sich doch die Dinge um, ich müsste Sorge tragen und ihr sagen können

„Alles wird gut“

aber sie wird es nicht glauben und sie glaubt nicht an mich.

„Was hätte alles aus dir werde können, du warst so klug“

Wieder „das Will ich nicht hören, ich bin erwachsen, ich habe ein Kind, einen Job, ich regel mein Leben, ich sehe die Möglichkeiten des Lebens, immer noch..“

meine Stimme bricht als ich versuche  dies ganz fest auszusprechen, Annas Stimme bricht.

Annas Herz schmerzt, Anna ist groß und Anna hat einmal wegen einem solchen Satz ihre Verbindung zerrissen, „Du hast nichts aus Dir gemacht“ das war zu viel für Annas Ohren, wenn das deine eigene Mutter denkt

wer sollte jemals stolz sein auf dich?

Aber Anna weiß auch ihre Mutter ist entrückt und spricht über sich zu ihr, ist immer wieder überrascht,

wenn Anna sagt “ er war mein Vater“

Ja stimmt, das ist etwas anderes

Ja DAS IST ETWAS ANDERES.

Und Anna will die letzten, und sie hofft, dass es Jahre sein werden, mit ihrer Mutter ehrlich sein können, als Anna und nicht als Mutters Projektion ihrer selbst.

Anna liebt ihre Mutter, Anna liebte auch ihren Vater, beide rückten und rissen aneinander, hoben Realität und Grenzen auf und auch hier war der Raum zu vollgestopft

sie waren sich in Ihrem Dilemma genug.

Doch Anna weiß, dass ihre Mutter sie liebt und sie will ihr das Leben leichter und nicht schwerer machen und doch muss Anna auf sich aufpassen, an Ihrer Seite sein.

Mit dem Kind an der Hand geht sie zum Grab Ihres Vaters, vorbei an der Halle an der sie schon oft stand, das erste Mal mit 6 als die Oma ging.

Anna wird nervös, sie findet zwischen all den Reihen nicht den Ort, eine kalte Angst ergreift sie, sie konnte ihn nie finden, nie greifen, findet sie ihn auch hier wieder nicht, da wo er nun für immer sein wird?

Sie stehen da Hand in Hand und Annas Kind ist stumm und Anna schweigt.

Am Rückweg reden wir über das Leben und den Tod, wir sind uns sehr nahe.

Es gibt ein Zeit, wenn man jung ist, da spielen viele mit „dem Tod etwas wegnehmen“, in meiner Jugend hießen sie Grufties oder Pubertätsdepressiv, tiefschwarze Augenhöhlen, ein Tanz auf dem eigenen Grab, bei den meisten bleibt es beim Spiel, beim Necken

des Gevatters.

Beim Älterwerden, beginnt der Tod,  das ist dann kein Spiel, einem das Leben um sich zu entreißen und man spürt, dass er einen auch schon ins Auge zu fassen beginnt.

Das ist  eine Riesenchance das Leben in seiner Kostbarkeit wertzuschätzen.

Anna kommt zurück, sie wollen spazieren gehen, die Mutter zeigt ihr die Stücke Ihrer geretteten Garderobe, edle Stoffe, viele davon. Aber die Mutter hat große Probleme mit Ihren Füßen, der einzige Schuh, der noch passt ist ein schwerer, klobiger Gesundheitsschuh, das Aussehen war ihr immer wichtig.

“ Deswegen trage ich das alles nicht mehr, lieber einen alten Mantel, die Schuhe zerstören eh den Gesamteindruck“

Anna sieht das anders, man muss den Blick auf das lenken, was schön ist, sich nicht wegen einem Stück das Ganze vermiesen

wie wenig ist ein Fuß im Vergleich zum ganzen Menschen?

Fast alles im Leben hat einen Pferdefuß, nichts ist perfekt, wir sollten alle viel gütiger und respektvoller miteinander umgehen, wir Zeitgenossen, denkt Anna, die meisten von uns meistern die Existenz ziemlich gut.

Das Schöne gilt es zu Feiern, zu umsorgen, zu hegen und zu pflegen

sich nicht verstecken

nichts zudecken

 

Das schmerzt Anna und ihre Mutter kritisiert die Länge ihres Rockes, aber Anna wird sie weiter tragen, mögen Ihre Beine auch zu dick dafür sein

sie hat so lange gebraucht

sie und sich zu zeigen.

Und sie gehen hinaus, 3 Generationen, Anna denkt gleichzeitig über so Vieles nach, die Mutter konzentriert sich bei jedem Schritt

und wenn sie ihr was wünschen dürfte

dann wären es leichte Füße und ein beschwingter Schritt.

 

Anna würde ihre Mutter so gerne einmal tanzen sehen und dem Leben jauchzen.

Anna beschließt, das selbst zu tun

vielleicht tanzt ihre Mutter dann innerlich mit ihr mit.

2014 möge der Tanz beginnen!

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