Die Kinder sind nicht mehr die selben…

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Warum sind meine Kinder heute andere Menschen als damals? Was ich damit meine, könnt ihr weiter unten lesen.

Wir waren das Wochenende auf Roadmovie. Am Freitag setzten wir uns ins Auto und fuhren nach Wimpassing. Dort betreiben meine Eltern die Lachsräucherei Fuchs. Und weil sie im Grosshandel tätig sind, haben sie auch Lastautos am Grund stehen. Einen davon wollten wir uns ausborgen. Am Grund steht auch Buffalo. Buffalo war unser zweites Wohnmobil. Eines der schönsten die es gibt. Sehr klein, sehr schnittig, hat 4 großzügige Schlafplätze, eine Küche, keine Dusche (Braucht man nicht und macht nur Mühe. Geduscht wird im Meer, am Campingplatz oder im öffentlichen Bad). Rührselige Erinnerungen durchströmen uns immer, wenn wir Buffalo sehen. Nur eine Fahrt haben wir mit ihm gemacht. Danach stellte es sich heraus, dass sein Boden komplett durchgerostet war und jede Fahrt mit Buffalo leider lebensgefährlich ist.

hymer

Danach fuhren wir knapp 2 Stunden nach Weißenkirchen in der Wachau. Wir kamen im Dunkel an. Die Donau glitzerte wie gehämmertes Eisen und die Häuser standen wie liebenswürdige kleine Festungen am Hügel. Dort, in einem dieser Steinhäuser holten wir was ab und gingen dann was essen. In ein Dorfgasthaus. Ganz nett hergerichtet. Niedere Decke und voll mit Männern die als Nachspeise Schnaps tranken. Am Tisch durfte das Maggie natürlich nicht fehlen. Die Sojasauce der Österreicher.

maggie

Das Essen war preiswert und absolut gschmackig. Danach fuhren wir zufrieden nach Hause und ich schaute mit Leni fern und Micke machte Musik. Heute morgen ging der Roadmovie weiter. Wir setzen Fritzi zwischen uns in den Laster und fuhren nach Ungarn in unser Weekender. Goldene Jännersonne und Vorfreude auf die ungarische Fischsuppe.

In Ungarn steht aber kein Maggie am Tisch. Salz und Paprika gibt´s hier.

paprika in ungarn

Dann luden wir aus dem Laster, was wir in Weißenkirchen geholt hatten: Ein paar sehr alte Fenster mit Rundbogen.

altes rundbogenfenster

Die werden im Frühjahr in unser süßes Haus eingebaut.

rundbogefenster bauernhaus

Es wird dann ganz anderes in die Gasse blicken.

Nach einem Spaziergang fuhren wir wieder zurück. Und jetzt musste nur mehr der Laster wieder nach Wimpassing gebracht werden. Ich meldete mich freiwillig. Nachdem ich mit meinen Eltern immer zwischen Österreich und Schweden gependelt bin, bin ich wahrscheinlich autofahrgestört. Es gibt wenig was mich mehr entspannt als die Vorstellung Auto zu fahren. Autofahren ist mein Yoga. Und vor allem Autofahren in der Dunkelheit und dabei Podcast hören, ist für mich das perfektes Glück. Bewegung. Zeitlupenästhetik und interessante Impulse.

podcast

Warum unser Kinder heute nicht mehr die selben Menschen sind, wie vor einigen Jahren

Das Thema des Podcast war: „Warum man in der Nacht aufwacht weil man so unglücklich darüber ist, dass man schon so lange gelebt hat.“ Dazu wurden verschiedene Theorien entwickelt:

Spacetheorie

Man sieht seine Vergangenheit wie durch ein Fernrohr und erkennt sich selber in den verschiedenen Altersstufen. In jedem Alter war man ein eigenständiger kleiner Mensch, der sich danach gleich weiterentwickelte, wuchs und zu einem anderen Menschen wurde. Alle diese unterschiedlichen Menschen, die man selber einmal war, sind heute nicht mehr greifbar. Sie sind nicht in deinem Körper, denn sie hatten einen anderen Körper der nicht mehr da ist. Man kann diese vielen Menschen nicht fassen und sie nicht zu einem einzigen umformen. Man hat seine jüngeren Ich´s verloren. Du musst dich von deinem 5, 15 oder 25järhigen Ich verabschieden und sie allein lassen. Das macht einen traurig.

Completnesstheorie

Irgendwann kommen wir an den Punkt, an dem uns unsere Kinder nicht mehr brauchen und unsere Arbeit erledigt ist. Wir haben eine Existenz aufgebaut, die nun „fertig“ ist. Der Zyklus ist zu Ende. Danach kommt der Tod. Diese Einsicht macht uns auch etwas traurig.

Responsibilitytheorie

Die vielen Ich´s die wir früher einmal waren (siehe Spacetheorie) hatten alle Wünsche, Trauer und Erwartungen an das Leben. Irgendwann sehen wir ein, dass wir sie nicht alle erfüllen können, obwohl es in unserer Verantwortung liegt, denn nur wir selber können uns selber glücklich machen. Wir sehen uns selbst als 3jährige, wie wir vielleicht einmal einsam in einer Ecke gestanden sind, oder mit 10 Jahren, als wir fanden, dass das Leben unfair sei und unsere Eltern noch mehr, oder mit 18 wo wir uns so unverstanden fühlten keine Ahnung hatten wie wir das mit dem Leben meistern schaffen sollten und hofften, dass wir mit 40 endlich etabliert sein würden. Und wir spüren diese Nöte und Träume die wir hatten, und die wir nie einlösen konnten. Das macht uns auch traurig. Wir haben unsere Verantwortung nicht wahrgenommen.

(Die vierte Theorie besagte übrigens, dass traurige Gefühle nur durch chemische Prozesse im Hirn ausgelöst werden und keinerlei besonderer Analyse bedarf. Kann natürlich auch sein.)

Mich hat vor allem die Spacetheorie sehr berührt. Ich habe extreme Schwierigkeiten zu verstehen, dass meine Kinder heute dieselben Menschen sind, wie vor einigen Jahren. Andere Körper, andere Sprache, andere Fähigkeiten, andere Grimassen. Dass sie wachsen und sich verändern irritiert mich maßlos. Nicht, weil ich nicht will, dass sie älter werden, sondern, weil ich sie nicht mit dem Menschen vereinbaren kann, der sie als kleineres Kind waren. Es ist so schizophren. Sie sind nicht die selben. Und ich kann meinen 7jährigen Sohn nicht mehr umarmen und trösten und vielleicht auch etwas wieder gut machen, was nicht so gut geklappt hat. Ich kann meine damals 2jährige Tochter nicht mehr lachen hören und ihr beim Schlafen zusehen. Die Kinder, die damals mit uns im Buffalo reisten, sind nicht dieselben, die heute bei uns wohnen und ich werde meine früheren Kinder nie wieder zurückbekommen. Das macht mich sehr sehr traurig und endlich hat Sigge Eklund das Phänomen in Worte gefasst, als er eines Nachts nicht schlafen konnte, weil er traurig war, dass er schon so lange gelebt hat.

Aber auch die Responsibilitytheorie hat mich berührt. Ich bin die ganze Zeit damit beschäftigt jüngere Versionen von mir glücklich zu machen und zu umsorgen. Und eine Sache, was meine jüngeren Versionen in sooo vielen Alterstufen brauchen ist eine Verwurzelung in Schweden. Ich weiß nicht ob ich das hinkriege, aber ich weiß, dass dann meine vielen traurigen kleinen Seelen in mir ein wenig Ruhe finden werden. Warum das so stark in mir ist, weiß ich auch nicht. Aber scheinbar ist es nicht so einfach seine Heimat zu verlieren….(Ich meine, wären wir damals in die USA gezogen – ok! Aber wir sind in das Wien der frühen 80er gezogen).

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About Author

Patrice Fuchs ist 41 Jahre alt, betreibt in Wien ein Umstandsmoden- und ein Designgeschäft, eine Zeitung "Familie Rockt", eine Fernsehshow "Familie Rockt TV", dreht Dokumentationen und unterhält dieses Elternblogportal. Aja und Mama von drei Gschropen ist sie auch.

2 Kommentare

  1. Denk daran, dass die Kinder die du jetzt hast in ein paar Jahren nicht mehr da sind und geniesse sie
    voll. Wird wohl an diese Theorie nichts ändern, dennoch „be mindful“ (Theorie of Mindfulness).

  2. schön zu lesen war das. Traurigkeit mit Theorie, was auch immer davon gültig sein mag, es ändert nichts am Gefühl, beim Glück fragt niemand nach dem Grund, das macht die Seligkeit des Glücks wahrscheinlich aus. Ach ja

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