Fotos von Kindern im Internet…

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Endlich geht die Debatte um Fotos von Kindern im Internet auch in Österreich los! Einen der deutlichsten und leider nicht besonders intelligenten Text dazu hat Doris Knecht  diese Woche veröffentlicht. Sie ist meiner Meinung nach die erste Elternbloggerin Österreichs. In fast jeder ihrer Kolumne kommen ihre Kinder vor. Sehr witzig und gescheit und sehr privat. Aber plötzlich spielt sie sich zur Hüterin der familiären Privatsphäre auf.

Sie bezieht sich darin auf die schottische Lehrerin Vicky Walker, die ihren SchülerInnen zeigen wollte, wie mächtig das Netz ist. Sie rief die Klasse dazu auf ein Foto zu teilen und zu verfolgen, wie weit es sich daraufhin verbreiten würde.

vicky walker

Das Experiment: Ein Foto geht durchs Internet

Nachdem es ein dezidiertes, öffentliches und spannendes Experiment war, ist es kein Wunder, dass es sehr oft geteilt wurde. Viel viel öfter als ein normales Foto auf Facebook. Das Problem der meisten InternetseitenbetreiberInnen oder BloggerInnen ist ja dass zu wenig Leute sich diese Seiten ansehen obwohl sie sich sehr darum bemühen Menschen auf ihre HP´s zu locken. Natürlich werden durchschnittliche Fotos von Normalis noch seltener geteilt und in der Regel nur von den nächsten Freunden oder Verwandten angesehen. Doris Knecht übersieht diesen logischen Zusammenhang und regt sich über die private Facebookseite der Lehrerin auf:

„Ihre Privatsphäre-Einstellungen ermöglichen, dass jeder, auch eine ihr völlig fremde Wiener Kolumnistin, all ihre Privatfotos anschauen kann: ihre Hochzeit, ihr Abend mit den Freundinnen, ihr Urlaub. Und immer wieder Kinder, ihr eigenes und andere, beim Lesen, beim Spielen, beim Baden. Die Frau hat ihre eigene Lektion nicht verstanden.“

Was soll dieser lehrerinnenhafte herablassende Ton? Vicky Walker hat ihren SchülerInnen nicht mitgeben wollen, dass sie nie nie nie ein Foto von sich posten sollen, sondern dass ihnen klar sein muss, dass das Foto weitergeteilt werden könnte, auch wenn sie es nicht wollen. Wer sagt, dass Vicky Walker nicht will, dass die Fotos auf ihrer Facebookseite nicht angeschaut und vielleicht geteilt werden? Sie wird sich vorher überlegt haben, welche Fotos sie lieber privat halten will. Scheinbar gehören die Hochzeitsfotos etc. nicht dazu. Wer darf sie dafür verurteilen? Sie wird wahrscheinlich keine Fotos posten, auf denen sie sich schirch findet, oder auf denen bspw. ihr Kind weint etc. Das entscheidet jeder für sich. Auch ich habe kein einziges Foto auf meinen Blog, das ich als „privat“ empfinde. Es sind alles Fotos, die jeder sehen darf. Meine Privatssphäre fängt woanders an. Nicht dort wo ich Dinge tue, die in irgendeiner Form alle Menschen tun. Essen, Wohnung renovieren, Picknicken etc.

Fotos von Kindern im Netz sind, wenn man vernünftig postet, harmlos und machen Freude

Und genau das müssen Kinder von heute lernen: Benützt das Netz, habt euren Spass, tauscht euch aus, nehmt euch das Recht heraus euch selber ins Scheinwerferlicht zu stellen! Aber seid´s euch bewußt, dass das Netz öffentlich ist und dass ihr euch deswegen besser so präsentiert, wie ihr auch dazu stehen könnt!

Woraus schließt Doris Knecht, dass Vicky Walker ihnen statt dessen vollkommene Abstinez beibringen wollte? Das wäre ja unglaublich unzeitgemäß und rigide!

„Das Kind wird dann noch als Erwachsener Baby- und Kinderfotos von sich im Netz finden: Fotos, auf denen es lacht, weint, schläft, spielt und badet, Fotos, die schon Tausende Menschen vor ihm gesehen haben, und zwar mit den unterschiedlichsten und keineswegs stets edlen Motiven.“ meint Doris Knecht und ich verstehe nicht was sie meint. Sie tut so als wäre es unbestreitbar was Fürchterliches wenn Kinder später als Erwachsene Baby- und Kinderfotos von sich im Netz finden. Ich kann daran nichts tragisches finden und meine Kinder auch nicht.

Privatssphäre kann eine Form der Exklusivität sein – im Netz ist nichts exklusiv

Doris Knecht denkt automatisch in diesen Bahnen, weil man das in Österreich eben gewohnt ist und das auf sie abfärbt – denke ich. In Österreich darf sich nur „wichtig“ machen, wer angelich gesellschaftlich wichtig ist. Alle anderen sollen sich im Schatten aufhalten. Die Kinder der Bürgerlichen sind so exklusiv, dass sie bedeckt gehalten werden müssen wie Promikinder. Sie sollen sich nicht mit dem normalen Volk vermischen. Aber sie dürfen natürlich öffentlich den Opernball eröffnen und in den Kulturbeiträgen als NachwuchsmusikerInnen oder SchauspielerInnen etc. vorkommen. Sie werden  in Schulen gesteckt, wo auch die Kinder der anderen Bürgerlichen sind. Dann hört man in Gesprächen von wichtigen Leuten: „Die Kinder vom Tarek Leitner oder vom Matthias Hartmann gehen da auch hin!“ etc. Sie halten ihre Welt dicht und niemand darf reinschauen, außer es bringt was der Karriere.

Dann kommen plötzlich die BloggerInnen und FacebookerInnen und zeigen ihr Leben ganz gewöhnliches Leben her und haben eine Freude daran. Und das Nicht – Reinschauenlassen verliert plötzlich an Wert. Das muss weh tun! Wer sich exklusiv fühlen will, muss jetzt laut aufschreien: „Ich zeige meine Kinder nicht her! Ich lass niemanden rein in mein Privatleben!“ Als ob man sich was darauf einbilden könnte. Als ob ein Nichttun so erwähnenswert wäre. Und dann folgt ein: „Und ihr hört auch sofort damit auf! Sonst verurteile ich euch zu schlechten Eltern!“ Denn wenn man selber nicht dabei ist, dann sollen die anderen auch nicht dürfen.

Und ich denke mir: Wenn ihr euer Familienleben privat halten wollt, dann tut´s das, aber laßt uns, die wir gerne mal ein Foto von unseren lieben Kleinen posten, in Ruhe. Ich will bei euch eh nicht reinschauen. Aber macht´s uns und vor allem unsere Kinder nicht schlecht. Behauptet nicht, dass wir sie  vorführen. Das ist euer böser Blick, den ihr da habt! Und der schadet unseren Kindern viel mehr, als wenn man mit Freude ein liebes Bild von ihnen postet. Haltet euch zurück mit euren neidigen Kulturpessimismus. Und vor allem: Seht ein, dass ihr nicht so wichtig seid, dass ihr anderen Menschen nichts vorschreiben könnt. Euren bürgerlichen Zeigefinger, könnt ihr wieder einstecken.

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About Author

Patrice Fuchs ist 41 Jahre alt, betreibt in Wien ein Umstandsmoden- und ein Designgeschäft, eine Zeitung "Familie Rockt", eine Fernsehshow "Familie Rockt TV", dreht Dokumentationen und unterhält dieses Elternblogportal. Aja und Mama von drei Gschropen ist sie auch.

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