Der Hype um die Eltern Blogs

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Es gibt schon tausende von ihnen und sie haben eine Vielzahl an LeserInnen, die auf ihr Urteil vertrauen. Eltern-BloggerInnen werden deswegen gerne gelesen, weil sie in der Regel gut schreiben können, sehr persönliche Einblicke in ihr Familienleben bieten und eine eigene Meinung transportieren.

Das mit der „eigenen Meinung formulieren“ ist besonders wichtig wenn es um Blogs geht. Während traditionelle Medien vor allem Fakten und Informationen aufbereiten, stehen soziale Medien, wie Blogs, vorrangig für die Formulierung von Meinungen und Standpunkten.

In den USA, in England, Italien oder Schweden haben Mummy-BloggerInnen oft einige hunderttausend LeserInnen – und das jede Woche. Solche Zahlen würden sich so manche Medien wünschen, denn mit knapp einer Million Leser im Monat, oder mehr, kann man auch im Netz gut Werbung lukrieren.

von Patrice Fuchs

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Liz Jarvis, Bloggerin und Journalistin

Auf Tagungen wie der `Cyber Mummys Conference‘ in England, treffen sich jedes Jahr hunderte Eltern-BloggerInnen um Workshops abzuhalten, um Reden von Pionier-BloggerInnen zu hören und um zu netzwerken.

Noch nie konnten vollkommen unbekannte Menschen so leicht zu Medienstars werden. Noch dazu aufbauend auf der relativ unspannenden Tatsache, dass sie Eltern sind. Der Alltag mit Kindern war ungefähr das Letzte worüber traditionelle Medien bisher berichten wollten.

Sie wurden eines Besseren belehrt.  Viele Tageszeitungen die das Potential erkannt haben, kaufen mittlerweile profilierte Mummy-oder Daddy-Blogger ein, um an deren LeserInnen zu kommen.

Die meisten traditionellen Medien – oder `alten Medien‘ – haben bis heute nicht verstanden, wie neue Medien funktionieren.

Alte Medien waren es immer gewohnt, darüber entscheiden zu dürfen, was an die Öffentlichkeit kommt und wie darüber geurteilt werden soll. Sie zogen daraus immer den fatal falschen Schluss, dass allein sie, nicht nur auf Grund ihrer Position, sondern auf Grund ihrer Kompetenz, in der Lage wären, diese Aufgabe zu bewältigen. Plötzlich kommen da jedoch ganz normale Leute daher und verschaffen sich ihre eigene Leserschaft.

Soziale Medien sind mehr als nur Facebook

Seit einem Jahr geistert der Begriff `soziale Medien‘ auch in Österreich durch die Schlagzeilen und offenbar hat man sich geeinigt, dass soziale Medien gleichzusetzen wären mit Facebook.

Verzweifelt versucht man also über Facebook näher zur LeserInnenschaft zu  gelangen, rückt ihnen damit aber eher auf die Pelle. Man weiß nicht recht, was man auf der Facebook-Seite posten soll und wartet oft vergebens auf Feedback von den `Freunden‘.

Und auch Konzerne wollen über Facebook die Kundschaft binden. Es werden MitarbeiterInnen angestellt, die hauptberuflich keine andere Aufgabe haben, als `Freunde‘ herbei zu karren. Das führt zu skurrilen Phänomenen, wie der Facebook-Seite von BIPA. Sie hat knapp 150.000 Freunde. Man kann sich fragen, ob tatsächlich 10% aller österreichischen FacebooknutzerInnen von selber auf die Idee gekommen sind, BIPA-Fans zu werden?

Auf der Fan-Seite finden sich vor allem Gewinnspiele und superduper-zufriedene KundInnen, die BIPA über alles lieben und am liebsten jeden Tag dort einkaufen würden…BIPA hat sicher viele Ressourcen dafür  aufgewendet um  auf Facebook so groß zu werden. Die Frage ist, ob der künstliche Anteil des Hypes von den KundInnen nicht doch erspürt wird?

Und was passiert, wenn Facebook nicht mehr ist? Was passiert wenn Facebook von Firmen plötzlich Abgaben verlangt vielleicht pro Fan? Dann rechnet sich die ganze Choose vielleicht nicht mehr.

Warum Firmen aber gerne auf Facebook herumgeistern, liegt auch daran, dass Facebook eine Daumen-hoch bzw Daumen-runter-Gemeinschaft ist. Man muss nicht viel Content produzieren und kann trotzdem ein paar Daumenhoch einfangen. Dafür ist das Daumenhoch aber auch nicht viel wert.

Soziale Medien sind aber viel mehr als Facebook. Mit guten Ideen und guten MitarbeiterInnen könnten Firmen viel mehr und viel besseren Content produzieren, um sich aus der Masse hervor zu tun. Die Bandbreite der Möglichkeiten sozialer Medien  ist viel facettenreicher  als sie auf Facebook jemals  erreicht werden kann.

Innovative Firmen wie die Kinderkleidermarke Mini Rodini stellen extra Leute für die Öffentlichkeitsarbeit ein, die darüber hinaus  auch bloggen können. Der Blog Style by Mats zeigt, wie unproblematisch sowas funktioniert, wenn es richtig gemacht wird. Den Blog gab es schon bevor  Mats für Mini Rodini angeheuert wurde.  Er hat seine Zusammenarbeit mit Mini Rodini von Anfang an transparent gemacht und der Blog ging danach inhaltlich eigentlich genauso weiter, wie vorher. Leichtfüßig und  humorvoll bloggt er über sein Familienleben. Hin und wieder postet er Teile aus der Kollektion, die ihm besonders gut gefallen  oder er bloggt  über Geschäftsreisen.  Den LeserInnen gefällts. Eine Win-Win-Situation für beide Seiten.

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Erfolgreicher schwedischer Papablogger

Parent-BloggerInnen verzweifelt gesucht

Bloggende  Eltern können eine der größten Zielgruppen überhaupt bewegen: Nämlich Menschen, die Kinder haben. Kein Wunder also, dass sich Konzerne mittlerweile an Parent-BloggerInnen heranmachen.

Als Babylog grad mal eine Woche online war, hat sich Pampers bei  mir gemeldet und gefragt, ob ich nicht für einen Tag nach Deutschland fliegen möchte um die neuesten Pampers zu testen. Ich war ein wenig verwirrt…meine Kinder sind 11 und 5. Beide tragen, seit sie zwei sind, keine Windeln mehr.

„Das mache gar nichts“, sagte man mir, „Ich solle doch einfach trotzdem testen, weil diese Windeln sind wirklich sehr gut…“

Nun, bei Babylog wollen wir eigentlich zwei Arten von Product Placement: Entweder finden wir etwas wirklich super und dann schreiben wir eben darüber, oder es gibt eine bezahlte Anzeige, die als solche auch erkennbar ist. Pampers wollte für Werbung auf Babylog nicht zahlen, sondern mich sozusagen so sehr für das Produkt begeistern, dass ich gratis und freiwillig darüber schreibe. Da meine Kinder schon größer sind, ist es aber sehr unwahrscheinlich, dass ich zufällig eine Windeltype so super finde, dass ich darüber in meinem Blog schreiben möchte. Und um ehrlich zu sein, arbeite ich zwischen 60h und 70h die Woche und möchte ungern einen ganzen Tag unbezahlterweise damit vergeuden, Windeln zu testen und darüber zu schreiben…Da ist kein Mehrwert für mich erkennbar.

Pampers spekuliert offenbar damit, dass manche BloggerInnen sich sehr geehrt fühlen, von einem so großen Konzern wie Pampers geladen und als brauchbareR WerbeträgerIn gesehen zu werden.

Eltern-BloggerInnen sind tatsächlich sehr gute WerbeträgerInnen. Doch Unternehmen und PR-Büros schätzen sie total falsch ein. Sie denken, Blogs seien Freiflächen, auf denen man nach Lust und Laune gratis Werbung platzieren könne. Soziale Medien seien ja ein autarker, antikapitalistischer, sozialer Lebensraum. In sozialen Medien würden keine Geschäfte gemacht, sondern user-generierter Content publiziert.

Aber, wenn es so wäre – warum sollten dann kapitalistisch orientierte Firmen dort gratis Werbung bekommen?!

Eltern-BloggerInnen got the power!

Susanna Scott, eine Mummy-Bloggerin aus England schreibt:

„Please stop ask mummy-bloggers to do things for free!“

Sie bekommt regelmäßig PR-mails von Firmen, die gerne hätten, dass sie über ihre Produkte schreibt. Die Mails sind meistens als Massenmails verfasst und es werden Kooperationen vorgeschlagen, die ihr nur Zeit kosten und überhaupt nicht zu ihrem Blog passen. In einem offenen Mail an alle PR-Leute erklärt sie, dass sie nicht gelangweilt den ganzen Tag zu Hause herumliegt und darauf wartet irgendwelche Pressetexte zu lesen und Produkte testen zu dürfen, die sie eigentlich gar nicht interessieren. Sie ist eine viel beschäftigte Working-Mum, die ihren Blog aus Spaß an der Freude schreibt und nicht um sich von Firmen instrumentalisieren zu lassen. Außerdem sei es respektlos, Anfragen an BloggerInnen zu verschicken, ohne den Blog vorher gelesen zu haben. Sie wüssten offensichtlich nicht wie Eltern-BloggerInnen funktionieren, und daher könne es auch nicht zu einer Zusammenarbeit kommen. Wenn sie ihre Unwissenheit wett machen wollten, könnten sie ja von einer Mummy-Bloggerin (bezahlterweise) Consulting einholen, oder selber einen Eltern-Blog starten.

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Susanne Sott, Bloggerin und Netzwerkerin

Auch in den Staaten versuchen Firmen verstärkt BloggerInnen davon zu überzeugen, dass sie als `unabhängige TesterInnen‘ über sie schreiben. Teilweise greifen die dort schon tiefer in die Firmenkassen.

Als Universal Pictures den Familienfilm Despicable Me rausbrachten, ließen sie profilierte Eltern-BloggerInnen nach Los Angeles einfliegen, quartierten sie im Four-Season-Hotel ein und stellten sie den Hollywood-Stars vor.

Bloggerin Jennifer Donovan bloggte nach dieser Spzialbehandlung äußerst positiv über den Film und sie gab gegenüber der BBC zu, dass es nicht so einfach gewesen wäre, den Film negativ zu kritisieren, falls er ihr nicht gefallen hätte.

Authentizität hat ihren Preis

Solche Kooperationen nehmen Blogs natürlich genau den Charakter, der sie bei den LeserInnen so beliebt macht. Wenn Firmen BloggerInnen für positive und authentisch wirkende Einträge bezahlen, und das nicht transparent gemacht wird, führt man die LeserInnen hinters Licht.

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Josefin Craford, Bloggerin und Moderatorin

In Schweden entbrannten letztes Jahr heftige Diskussionen rund um Blog-Sponsoring. Die großen BloggerInnen erhalten dort täglich viele Produkte gratis zugeschickt. Eltern-BloggerInnen werden auf Luxusreisen nach Dubai geladen und erhalten Kinderwägen gratis. Die LeserInnen hätten aber ein Recht darauf zu wissen, wann ein Product Placement gesponsert wurde und wann nicht. Außerdem seien alle Werbegeschenke vor dem Fiskus als Einnahmen zu bewerten, wofür BloggerInnen selbstverständlich auch Steuern zahlen müßten.
Seither gibt es in Schweden eigene Steuerregelungen – nur für BloggerInnen. Nicht einmal unaufgefordert zugesandte Gratis-Päckchen mit Pflegeprodukten dürfen seither ohne weiteres von BloggerInnen entgegengenommen und verwendet werden.

Blogs funktionieren anders als traditionelle Medien, aber wenn es um Werbung und Steuern geht, sind die Unterschiede dann doch nicht so groß.

Letzte Woche fand ich wieder eine nette Nachricht  in meiner Box. Quinny hatte mir ein Massenmail geschickt:

„Werde ein Quinny-Caster!“

Man suche 25 Eltern-BloggerInnen, die Quinny-Produkte testen wollen. Das getestete Produkt dürfe man nachher behalten. Um ein „offizieller Quinny-Caster“ werden zu dürfen, muss man sich mit einem ausführlichen Motivationsschreiben darum bewerben. Die glücklichen Auserwählten dürften dann der Familie, den Freunden, und der ganzen Welt von ihren Erfahrungen mit den Quinny-Produkten berichten!

Wow! Danke! Ich darf mein soziales Umfeld mit Werbebotschaften nerven!

Stellt sich noch die Frage: Wie viele LeserInnen müssen BewerberInnen bereits auf ihren Blog haben, um offizielle Quinny-Caster werden zu dürfen bzw. wie viele Blog-Einträge müssen sie schreiben um sich einen 200-Euro-Buggy zu verdienen?

Und was muss eigentlich ich hierbei tun? Aus dem Mail ging das nicht wirklich hervor.

Wollten sie mich einfach nur informieren? Oder wollten sie, dass ich mich selbst als Quinny-Caster bewerbe, meinen elfjährigen Sohn in einem Buggy herumschiebe und darüber blogge? Oder wollten sie, dass ich ihren Aufruf  jubelnd auf Babylog veröffentliche?

Gut, wenn das so ist, hab ich das hiermit sozusagen getan.

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5 Kommentare

  1. Hüstel. Räusper. Erst diese Woche hat mich jemand als „Herr List“ angeschrieben. Ich würde es für das mindeste halten, dass man mein Geschlecht richtig bezeichnen kann … Danke Patrice, du sprichst mir aus dem Herzen. Aber es wird auch bei uns besser. Langsam gibt es ja auch immer mehr Agenturen, die auf Soclail Media oder sogar Blogger Relations spezialisiert sind. Viele Firmen in AT stellen gerade erst fest, dass man Blogger in ihre Kampagnen integrieren könnte und zwar nicht nur als Möglichkeit, einen Link zu setzten. Es wird besser …
    lG, Judith

    • Absolut Patrice on

      Liebe Judith!
      Du hast total recht. Langsam wachen sie auf. Nun müssen sie nur lernen, dass wir keine Gratis-PR-Büros sind:-)

  2. Ich frag mich aber, warum Österreich in Sachen sozialen Medien und Blogs nocht hinten nach ist? Da gibt es zb in Ungarn auch mehr davon!

  3. Toller Artikel und du sprichst die Problematik direkt an. Unternehmen wollen sich billig bei Bloggern einkaufen, wenn man überhaupt von einkaufen reden kann.

    Meist werden die Blogger billig geködert. Mir sind auch Blogger bekannt, die zu Pampers eingeladen wurden und dann positiv darüber schreiben durften.

    Denke aber, die meisten Leser durchschauen dieses Spiel. Man sollte auf keinen Fall die eigenen Leser für blöd verkaufen wollen, das kann leicht nach hinten los gehen. Und als Blogger sollte man auch nicht so leicht zu beeindrucken sein.

    Liebe Grüße
    Silvia

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