Goldenes Band

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Doris Lessing,

von ihr habe ich fast alles gelesen, mit „Dem goldenen Notizbuch“ fing es an, heute lese ich, dass sie gestorben ist,  ihr Bild mit dem Gesicht, das mich an meine Groß- und heute an meine Mutter erinnert.

94 Jahre ist sie alt geworden, vor 3 Wochen starb ihr Sohn, den sie pflegte

und dann sie.

Das berührt mich wie mich ihre Bücher berührten, manche mehr, manche weniger, das muss so sein, denn niemand schreibt  ein Buch nur für mich

über mich.

„Und so kniete sie, ihrem dringenden Bedürfnis nach den richtigen Worten folgend, vor dem Bücherschrank; denn es ist eine bemerkenswerte Tatsache, dass die Kritik von Leuten des Schlages wie ihre Eltern, Bekannten, Predigern, Lehrern, Politikern und Leuten, die für die Zeitung schrieben, sie unberührt ließ, während die mitleidlose Beschreibung einer Figur, die ihr ähnlich war, in einem sie auf Tage in einen Zustand begieriger Seelenerforschung zu versetzen vermochte.  (…) Was sagt mir das über mein Leben?“ (Doris Lessing – 1965 – Eine richtige Ehe, S. 101)

Aber so ist das mit den Büchern, mit mancher Figur kann man mehr trauern, Glück empfinden und sich selbst bloßgelegt fühlen als bei der eigenen Betrachtung und manches an die Welt geschriebene Wort ist punktgenau das persönlichste.

Welch Trost, welch Bereicherung  können Bücher sein.

Allerdings, wer immer nur sich selbst in einem Buch sucht, der liest immer nur das Selbe.

Ich werde sie wieder lesen, mit meiner Brille auf meiner Nase, der November bietet sich zum Lesen an.

Diese Jahreszeit ist scheinbar nicht die meine, sobald ich die erste Weihnachtskugel sichte, verfalle ich in depressive Verstimmungen, ich weiß gar nicht genau

warum.

Das Funkelnde, das liebe ich ja sonst, aber diese Zeit löste eine schwere Mattheit in mir aus,

Jahr für Jahr.

Gut, finde ich das nicht.

Als Mutter sollte ich mit Mehl und Eiern stauben und nicht mich vernebeln lassen, romantische Verzücktheit sollte mich ergreifen, hektische rote Wangen und dem Wunsch alle zu beschenken und Schals sollte ich stricken und Lametta,

dass es nur so kracht.

Jahre lang, nichts von alledem. Die letzten Jahre kochte ich, der Kindvater war aus irgendeinem Grund immer zum Essen da, ein Bäumchen im letzten Moment aber doch, Geschenke füs Kind und dann je nach Alter, Quartett, Rommee oder die Rihanna CD und die Geschichten unserer Tochter,

die ihn aber mochte,

den einzigen Abend zu Dritt in jedem Jahr.

Dieses Jahr nicht, diese Jahr werde ich mit ihr zu meiner Mutter fahren, ich werde meinen Neffen Geschenke kaufen und sie spüren die Bande der verbrachten Vergangenheit, es wird viel los sein in ihrer kleinen Wohnung, viel mehr als der kleine Raum fassen kann, eine Geschichte, die uns alles beschwert, verbindet, die Abstand bedurfte und der dabei

die Zeit zerronnen ist

und ein Platz bleibt frei.

Ich weiß nicht so genau, ich weiß, dass es wichtig ist dort zu sein, Familie ist etwas, das einen bindet, immer.

Es muss Gegenwart sein, solange noch Zeit ist, Raum für Lachen und einen innnigen Blick und warme Hände, wenn es auch für so vieles keine Worte gibt.

Heute, wir schreiben erst den 18. November, habe ich eine Flasche Chanel Numero 19 gekauft, das bekommt meine Mutter, sie liebte den Duft einst so sehr

ich hoffe er erinnert sie an Liebe

mein Herz ist voll davon.

Kostbare Zeit

wieviele Türchen man noch zusammen öffnen kann,

das weiß man nie.

Ein bisschen funkel ich schon mit und schau mir das goldene, gekräuselte Band

lange an.

Der eckigen Schachtel gibt es das Leichte zurück.

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