Mädchenmamas gegen Bubenmamas?

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prinzessin

Tatort Spielplatz

Die 2-jährige Leonie sitzt oben auf der Rutsche und hat sich noch nicht endgültig dazu entschieden runterzurutschen. Der 1,5-jährige Leander steht hinter ihr und hat seine Entscheidung längst getroffen. Er will rutschen und das Kind vor ihm verstellt ihm den Weg. Was Leander aber bereits verstanden hat: Man kann auf die Verhältnisse in dieser Welt durchaus einwirken. Also gibt er Lenoie einen Stubser, sie flitzt die Rutsche runter und schon ist der Weg frei.

Doch seine Handlung löst viel mehr aus als das aus: Nämlich starke Gefühle. Und zwar in Leonies Mutter, die neben der Rutsche steht: So rücksichtslos kann doch nur ein Junge sein! Dieser Bengel wurde von seiner Mutter ja typisch „auf Bub“ erzogen. Warum müssen Buben sich überhaupt immer mehr Raum nehmen, während Mädchen einfach zur Seite gedrängt werden? Sind das die Einflüsse der Mädchenmamas und Bubenmamas, der Mädchenpapas oder Bubenpapas?

Entrüstet läuft sie zu dem fremden Buben greift ihm am Arm und schüttelt ihn: „Was machst du da!? Bist du verrückt?! Aus dir wird später einmal genauso ein Mann der Frauen schlägt!“

Diese Geschichte ist wahr und sie steht stellvertretend für eine skeptische bis feindliche Haltung die zwischen Mädchen- und Buben-Mamas herrschen kann. Buben-Mamas lassen ihren Söhnen zu viel Freiraum – und zwar auf Kosten der Töchter der Mädchen-Mamas – so die Anklage der Mädchen-Mamas.

Die Grundlogik patriachaler Strukturen lautet: Der Stärkere unterdrückt die Schwächeren. Nicht zuletzt mit körperlicher Gewalt. Die Mutter von Leonie bekam auf dem Spielplatz vor Wut gar nicht mit, dass sie sich dem kleinen Leander gegenüber genau diesem Prinzip entsprechend verhielt.

kämpferisch

Süße Mädchen und starke Jungs

Leander wird einmal ein Mann werden. Es exisitiert durchaus die Chance dass er im Vergleich zu einem Mädchen eine bevorzugte Erziehung geniessen wird. Buben müssen auch heute noch weniger im Haushalt mithelfen als Mädchen. Im Kindergarten werden sie von den PädagogInnen tendenziell bevorzugt. Sie dürfen lauter und frecher sein während Mädchen öfter angehalten werden `die Vernünftige‘ zu geben – sprich sich zurückzunehmen. Buben haben deutlich früher mehr Freiheiten und werden auch materiell mehr verwöhnt. Markenkleider und kostspielige technische Gadget gehören zur Grundausstattung der meisten Burschen. Ob diese Sonderbehandlung den Buben im späteren Leben nur Vorteile bringt – darüber kann man streiten.

Gleichzeitig muss man festhalten: Das Ausmass der Mehrarbeit im Haushalt der Mädchen im Vergleich zu den Buben ist marginal. Sowohl Mädchen als auch Burschen zwischen 10 und 18 Jahren helfen heutzutage sehr wenig im Haushalt mit. Im Schnitt ca 1 Stunde die Woche. Hauptsächlich wird der Tisch gedeckt und wieder abgedeckt. Kinder von Alleinerziehenden helfen übrigens weniger mit, als Kinder die mit zwei Elternteilen aufwachsen. Es ist einfach anstrengend Kinder zur Mithilfe anzuhalten.

„Mädchen sind mir näher“

Das sagt Beate W. immer wieder. Sie hat zwei Töchter und ist recht froh darüber. Der Gedanke einen Buben großziehen zu müssen, hat sie damals nervös gemacht bevor sie das Geschlecht ihres Babys kannte. Genauso wie sie wünscht sich ein Großteil der Frauen erstmal eine Tochter. Warum ist das so? Das eigene Geschlecht ist einem natürlich vertrauter, aber hinzu kommt, dass einem Buben gesellschaftlich immer noch latent die Rolle des „Stammhalters“ zuerkannt wird und als solcher stand er früher schon als hilfloser Säugling in der Rangordnung quasi über der Mutter. Wir leben zwar heute nicht mehr in solchen Verhältnissen, aber diese alltertümlichen Machtstrukturen wirken deutlich nach. Kleine Buben erscheinen vielen Menschen in erster Linie nicht als süße hilfslose speckige Zwerge, sondern als männliche, selbstbewußte, potentielle Thronfolger.

Leander ist aber erst ein 1,5 jähriger Bub und er benimmt sich grundsätzlich nicht anders als 1,5 jährige Mädchen. Denn so sehr viele Eltern in ihren kleinen Mädls die liebe Prinzessin sehen wollen, die meisten erfüllen diese Rolle nur bedingt. Sicher freuen sie sich über Puppen und tragen gerne Feen-Kleider, vor allem wenn man es ihnen daheim und im Kindergarten nachträgt – aber drückt mal einer Babyspeck-Prinzessin mit Feenflügerl ein Schwert in die Hand und ganserlt sie ein wenig auf, dann wird auch aus ihr eine richtige kämpfende Raubtier-Prinzessin. Und das ist auch gut so.

Mädchen und Buben können gleichermassen rücksichtslos und egoistisch sein, aber auch verletzlich und emphatisch. In den kleinen Leander schon einen ausgewachsenen Rechtsbrecher zu sehen hat nichts mit angemessener Genderkritik zu tun. Im Gegenteil – durch solche Vorverurteilungen wird dem männlichen Geschlecht genau das abgesprochen, was eigentlich gestärkt werden müßte, wenn wir in einer gerechten Gesellschaft leben wollen: Nämlich die Fähigkeit zu einem empfindsamen Mitmenschen heranzuwachsen.

Wenn Buben in die Schublade kommen

Auch in den Schulen erleben Buben oft eine voreilige Stereotypisierung durch einzelne Lehrerinnen.

Tobias, 13: „Meine Zeichenprofessorin bestraft uns jede Stunde für Sachen, die wir nicht getan haben. Wenn wir sie darauf aufmerksam machen, dass es in Wahrheit ein Mädchen war die schlimm war, wird sie laut und beleidigend. Sogar dann, wenn uns andere Mädchen recht geben. Der Unterricht bei ihr macht wirklich keinen Spass. Wir sind immer die Bösen.“

Valentin, 8: „Im Sommerhort hat es mir nicht gefallen. Die Buben durften nie in den Hof spielen gehen. Nur die Mädchen. Die Betreuerin hat uns immer als schlecht hingestellt und die Mädchen waren immer ihre Schatzis.“

Dass Mädchen mehr Lobby brauchen leuchtet ein, aber von einer positiven Diskriminierung haben sie nichts. Sie sollen gerecht behandelt und dazu ermuntert werden für sich einzustehen. Und was sowohl der Hortbetreuerin als auch der Zeichenprofessorin nicht bewußt ist: Wenn sie die Mädchen immer als Heiligen hinstellen und ihre negative Sicht auf Männer auf die Buben übertragen, verletzen sie diese damit. Buben sind keine gefühllosen Berserker sondern genauso soziale Wesen wie Mädchen. Und das ist gut so – sonst wäre ja der Kampf um eine emanzipierte Welt vollkommen aussichtslos.

 

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