Schamhaare und Co? Haare ab?

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Schamhaare, Achselhaare und Damenbart –Warum hassen wir eigentlich Haare, die nicht auf unserem Kopf wachsen? Das Motto einer PETA-Kampagne lautete kürzlich: „Ruiniere deinen Look nicht mit einem Pelzbesatz!“ Das Bild zu dieser drolligen Botschaft: eine Blondine mit unkontrolliertem, also unrasiertem Haarwuchs in der Bikini-Zone. Selbst Veganerinnen sollen also unten rum gefälligst bitte schön glatt sein. Trotz großer Naturverbundenheit, Männer rasieren sich den Bart, Frauen zupfen sich ihre Augenbrauen oder enthaaren bzw. waxen ihre Beine – das war früher einmal. Heute muss es mehr, weitaus mehr sein. Mehr glatte Haut. Zumindest unter jüngeren Leuten geht die Enthaarung heute viel weiter: unter den Achseln, auf der Brust, im Genitalbereich. Waxing-Studios wie Wax in the city boomen. Frauen verbringen Monate ihres Lebens damit, sich an den möglichen und unmöglichen Stellen ihres Körpers zu rasieren.

Was heißt hier hygienischer?

„Die Ganzkörperrasur gehört einfach für mich dazu, dadurch fühlt man sich gepflegter und schöner.“ Das sind die zwei Hauptgründe, die genannt werden, wenn man nach der aalglatten Haarlosigkeit fragt: Hygiene und Schönheit. Doch warum ist es hygienischer, wenn man an der enthaarten Achsel schwitzt, als an der unbehaarten? Weniger schwitzt man mit ausrasierten Achseln nämlich definitiv nicht. Außerdem dürfte dies in unseren Breitengraden, wo so gut wie alle Haushalte mit fließendem Wasser ausgestattet sind, kein Problem sein, sich regelmässig zu waschen.

Trim dich, sonst trimmen wir dich!

Wann wurde es ekelig, die Haare unter den Achseln oder an den Beinen sprießen zu lassen? Noch zu Zeiten von Sean Connery als James Bond galt eine reiche Brustbehaarung als Symbol von Virilität und Sexyness. Um 1990 herum begann der Trend zur Achselhaarentfernung. Hatten zunächst Basketballspieler sogar gefärbtes, und zeigten Männer prächtig wucherndes Achsel- und Brusthaar, so hat sich dann entschieden etwas gewandelt. Dem Genitalbereich ging es ähnlich, wenngleich er ja in der Regel von fremden Blicken weitestgehend verschont bleibt. Zuerst lautete die Begründung für Waxen oder Rasur: knappe Bikinis, da muss man sich ein bisschen rasieren. Dann kam die Intimrasur, ein sogenannter Steg wurde rasiert, und Anfang dieses Jahrtausends war das erste Playmate im Playboy völlig rasiert. Auch immer mehr Männer rasieren sich Achselhaar und Schambereich. So wie Travestie- Künstlerin Olivia Jones, die im Dschungelcamp Mitkandidatin Model Fiona Erdmann im Badeteich streng zurechtwies: „Aber untenrum könntest du dich schon mal wieder rasieren!“ Heute fällt das unbehandelte Körperhaar wieder in die Kategorie unzivilisiert, beziehungsweise ungepflegt.

„Sind Pornos Schuld?“

Ist vielleicht die über das Internet frei zugängliche Pornoindustrie an der „Haare ab welle“ schuld? Oder aber ist es eher umgekehrt: und die Pornos folgen dem Trend zur Enthaarung? Haarig zu sein, das fällt inzwischen unter die Rubrik Perversion, beziehungsweise Fetisch. Die Enthaarung hat im Übrigen auch zur Folge, dass manche Frauen glauben, dass sie untenrum nicht schön sind. Nicht nur die Waxingstudios, auch die Schamlippenverkleinerungs-Industrie boomt. In der EMMA schrieb Regula Stämpfli vor einem Jahr: „Kindermösen an erwachsenen Frauen sind also nicht einfach chic, hip, bequem, geil, lockeres Schönheitshandeln, sondern sie sind die am eigenen Körper vollzogene herrschende politische Philosophie.

Und die jungen Feministinnen?“

Einige (und immer noch viel zu wenige) rufen nun zum Kampf auf – für ihre Haare und gegen Haare ab. So gründeten einige Frauen aus London in diesem Sommer die Initiative Armpits4August. Den ganzen August hindurch ließen sie ihre Achselhaare wachsen, um mit dieser Aktion Geld zu sammeln für Frauen, die unter dem Polyzystischen Ovarialsyndrom leiden. Dieses Syndrom ist die häufigste Ursache für Unfruchtbarkeit und kann außerdem starke Körperbehaarung zur Folge haben. Aber warum nur im August? Die Engländerin Caitlin Moran fordert in ihrem Bestseller How to be a woman: „Schluss mit dem Schamhaarterror“ und bemerkt weiters: „Ich habe das Gefühl, dass Pornodarstellerinnen in Wirklichkeit nur deshalb grundsätzlich waxen, um Kameramännern und Beleuchtern ihren Job zu erleichtern. Wenn das ganze Buschwerk weg ist, sieht man bei den Fuck Shots einfach mehr. Das ist alles.“Im Netz gibt’s außerdem den Hairy Pits Club und den Hairy Legs Club zu bewundern. Und den Blog einer jungen Frau namens Miriam Herlicska. Seit vergangenem Mai verzichtet sie auf jegliche Form der Körperhaarentfernung. Vier Minuten erspart sie sich dadurch in der früh, wie sie selbst sagt. Eine der Regeln, die sie sich für ihr Projekt auferlegt hat: Die Entsorgung aller Rasierer, Wachsstreifen und sonstige Utensilien die zur Enthaarung dienen entsorgen, damit sie nicht erst in die Versuchung komme zuhause irgendwelchen gesellschaftlichen Zwängen nachzugeben. Nicht rasieren als politisches Statement also. Provozieren kann man nämlich mit Haaren (an den richtigen Stellen wohlgemerkt) allemal. Man muss sich nur manche Postings auf den entsprechenden Seiten durchlesen.

Schamhaare? Achselhaare? Nena! Also sooo nicht!!!

Auch in der Popkultur wird das Thema Haare oder nicht Haare gerne verhandelt. War es in den 80ern kein Thema, dass Nena ihr Achselhaar am Bravo-Starschnitt präsentierte, so wäre das heute undenkbar. Charlotte Roche zeigte in der Sendung Fast forward einer verdutzten Nina Hagen ihr wucherndes Achselhaar (heute kann man Roche nur mehr perfekt epiliert und geschminkt begegnen). Julia Roberts sorgte bei der Premiereihres Films Notting Hill für angewiderte JournalistInnen, da sie an dem Abend einfach auf eine perfekte Achselhaarepillierung pfiff.

Tom Loxley – Herausgeber des Magazins Maxim – ließ sich gar zu folgender Aussage hinreißen:„What is Julia thinking? The only place men want to see hairis on a woman´s head. Under the arms is unacceptable. From hairy armpits it is only a small step to The Planet Of The Apes. ”Und auch die Sängerin Peaches spielt in ihrem Video zu Set it of mit dem Thema weiblicher Körperbehaarung. In einem pinkfarbenen Bikini tanzend, wird sie zur über und über behaarten Frau – inklusive massivem Damenbart und Wolle in den Achselhöhlen, was besonders in Nordamerika zu Diskussionen führte:

Wohin wird der Anti-Behaarungstrend hinführen?

Wird er – im wahrsten Sinne des Wortes – immer schlimmere Auswüchse treiben? Oder aber wird es zu einem Backlash kommen? Vielleicht wird ja die Oscar-Preisträgerin in 10 Jahren ihre Auszeichnung mit wehendem Achselhaar entgegen nehmen. Wünschenswert wäre es. Dann wird man auch nicht mehr mit so bescheuerten Artikeln belästigt wie: Intimfrisur – Die neuen Trends: Hollywood-Cut oder doch Landing Strip? wie unlängst in der Zeitschrift Woman

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