Corinna Milborn will nicht Bausteine stapeln

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Corinna Milborn über Teeniekonzerte und Kleinkindbespassung

schwangerschaft

Sie war stellvertretende News-Chefredakteurin und wurde letztes Jahr zu Puls 4 vor die Fernsehkameras geholt. TV-Erfahrung hatte sie bereits durch ihren Einsatz als Moderatorin im Club 2 gesammelt. Bei Puls 4 beförderte man sie kürzlich zur Nachrichtenchefin – obwohl sie im fünften Monat schwanger ist. Sehr ungewöhnlich. Sehr sympathisch. Nach dem Mutterschutz will sie gleich wieder für 20 Stunden die Woche zurück ins Arbeitsleben. Und das geht vor allem deswegen problemlos, weil der Papa Emanuel nach der Geburt ebenfalls nur Teilzeit arbeiten wird. Was will man auch Anderes erwarten von einem Mitbegründer von Poika – dem Verein zur Förderung von gendersensibler Bubenarbeit! Wir haben die beiden im Gartenbaukino getroffen. Hier sind sie vor sechs Jahren zusammengekommen und auch beim Shooting wirken die zwei wie frisch verknallt.

Familie Rockt: Wie habt ihr euch kennengelernt?
Corinna: Wir haben uns eigentlich schon einige Jahre gekannt, bevor wir zusammengekommen sind.
Emanuel: Wir haben aber schon beim ersten Treffen geflirtet.
Corinna: Und eines Abends haben wir uns hier im Gartenbaukino verabredet. Chicks on Speed haben gespielt und wir waren in Partylaune und dann gab es den ersten Kuss.

Sechs Jahre später bekommt ihr ein Kind gemeinsam. Gibt es schon einen Namen für das Mädchen?
Emanuel: Ja, aber wir sind uns noch nicht einig, wir haben viele Ideen und smsen ständig Vorschläge hin und her.

Ihr werdet euch die Karenz teilen. Warum?
Corinna: Ich habe auch bei meiner ersten Tochter die Karenz geteilt. Ich finde, das ist das perfekte Setting. Ich bekomme das Beste aus zwei Welten. Ich würde mich ausgeschlossen fühlen, wenn ich gar nicht mehr arbeiten würde und dann trotzdem die Zeitungen lese und mitkriege, was sich so alles tut in der Welt.
Emanuel: Ich werde neben meiner Karenz etwas weniger für unseren Verein Poika arbeiten und ich werde, nachdem es bei meiner Arbeit auch um männliche Rollenbilder geht, das Baby auch zu Schulworkshops mitnehmen, zumindest stelle ich mir das jetzt so vor. Mal schauen ob das System Schule da mitspielt. Meine derzeitige Ausbildung zum Verhaltenstherapeuten lässt sich auch gut mit einem Kind vereinbaren, da sie flexibel bzw. berufsbegleitend angelegt ist. Ich freue mich auch sehr darauf Zuhause-Papa zu sein. Ich wollte schon seit längerem ein Kind.

Sollte man die Väter im Rahmen der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen mehr dazu zwingen, sich mit ihrer Vaterschaft auseinanderzusetzen?
Emanuel: Ich finde schon. Während sich die Frauen, schon allein körperlich, sehr damit auseinandersetzen, dass sie Mütter werden, laufen die Väter nebenher und sind eigentlich nicht sehr eingebunden. Väter sind da total ausgeschlossen. Ein Zwang würde auch ihre Rolle etwas klarer definieren und ich bin mir sicher, dass sie viel Positives erfahren würden. Andererseits würde ihnen damit auch eine Kompetenz zugesprochen, die nicht zum derzeitigen vorherrschenden Familienmodell passt: Der erziehungsfähige Vater, der genausoviele Fähigkeiten im Umgang mit Kindern hat bzw. entwickeln kann wie die Mutter. Das Leben der Väter verändert sich genauso wie das der Mütter und sie werden eine neue Rolle ausfüllen müssen. Darauf muss man sich vorbereiten. Ich bin auch dafür, dass Elternzeit strikt aufgeteilt wird wie das in Island ist: drei Monate der Papa, drei Monate die Mama und drei beide gemeinsam. Dann wird es auch für die ArbeitgeberInnen klar, dass sie Männer in Karenz gehen lassen müssen. Wenn Männer jetzt in Karenz gehen dann meistens nur Teilzeit oder die Frau ist ohnehin daheim und macht den meisten Teil der Arbeit.

Zwang mag man in Österreich nicht sehr gerne…
Corinna: Niemand mag Zwang. Das ist klar. Aber manche Dinge ändern sich nicht, wenn es keine Verordnung gibt. Das ist nun mal so. Wenn alle Väter in Karenz gehen würden, würden auch Arbeitgeber aufhören zu denken, dass die Kindererziehung nur Frauenangelegenheit ist. Dann würde es auch aufhören, dass Frauen Männer loben, die einmal die Woche ihre Kinder vom Kindergarten abholen und es stolz im Büro herumerzählen. Keine Frau sagt stolz: „So, jetzt gehe ich. Ich muss nämlich meine Kinder abholen.“ Eher sagt sie: „Ich muss auf einen Termin oder zu einem Informantengespräch“.
Emanuel: Ich finde, dem Papa, der stolz herumerzählt, dass er seine Kinder abholt, kann man ruhig das Lob der Kolleginnen zugestehen, denn man darf nicht vergessen: Seine männlichen Kollegen holen ihre Kinder nie ab, und hinterm Rücken der Frauen bekommt er auch für das bissi Kinderabholen schon einiges an Schmach von den Kollegen ab, weil er sich nicht genug in die Männerrunde einfügt. Da heißt es dann: Deine Frau hat dich ja ganz schön an der Kandare. Diese Kerle sollen schon sehen, dass er von den Kolleginnen Credits dafür kriegt.

Corinna, du hast eine 13- jährige Tochter. Könnt ihr schon gemeinsam auf Konzerte gehen?
Corinna: Sehr schwierig. Alles, was ich cool finde, findet sie uncool. Letztens hat sie davon gesprochen, dass sie auf ein Green Day Konzert will, und ich habe mich urgefreut und hab gesagt: „Super! Da können wir gemeinsam hingehen!“ Sofort war Green Day so was von uncool.

Was hört sie sonst gerne? One Direction?
Corinna: Ja, sie ist eine große One Direction Fanin.

Faninnen von One Direction oder Justin Bieber werden in den Medien ja oft lächerlich gemacht. Wie denkst du darüber?
Corinna: Luca mag Justin Bieber gar nicht. Ich find Justin Bieber toll. Aber letztens war Lucas zehnjährige Cousine aus München bei uns, weil Justin Bieber in Wien gespielt hat und wir sind gemeinsam hingegangen. Ich muss sagen, Justin Bieber hat gut gesungen und eine tolle Show hingelegt. Vor mir hüpften tausende glückliche Teenager auf und ab und mir hat es auch gefallen.
Emanuel: Erzähl einmal was Luca über One Direction und Neue Medien gesagt hat letztens!
Corinna: Unlängst hat mich Luca gefragt: „Wie konnten die Beatles eigentlich so viele Fans haben? Damals gab´s doch noch fast kein Internet?“ Und ich darauf: „Mein Schatz, damals gab es ÜBERHAUPT kein Internet!“ Sie drauf: „Was! Wie konnten sie dann überhaupt Fans haben, wenn es kein Facebook, keine Blogs und kein Youtube gab!?“

Soll man Kinder zu Intellektualität erziehen? Und wie geht das?
Emanuel: Ich hätte kein Problem damit, wenn mein Kind kein Büchernarr wird. Man muss ihnen halt Angebote machen und vielleicht nehmen sie sie an, vielleicht nicht.
Corinna: Also, ich hätte schon ein Problem damit, wenn sie gar keine längeren Texte lesen können. Kinder befassen sich heute ja meist nur sehr kurzatmig mit einem Thema. Als Eltern kämpft man da oft gegen das Internet an. Die Kinder hängen dauernd im Netz. Und bevor ich das jedesmal durchdiskutiere, stell ich manchmal das Internet einfach ab und sag: „Es gibt scheinbar ein Serverproblem.“ Ich hoffe, Luca liest nicht dieses Interview (lacht).

Habt ihr euch schon über die Schulwahl Gedanken gemacht?
Corinna: Luca geht in eine Alternativschule. Ich habe Volksschulen angeschaut und bin zum Schluss gekommen, die sehen alle noch genauso aus wie damals, als ich in die Schule gegangen bin. Das war mir nicht sympathisch. Sympathisch an der Schule sind außerdem die Zeiten. Die fängt erst um 9 Uhr an. Ich verstehe nicht, warum alle Schulen um 8 Uhr anfangen müssen? Das ist viel zu früh.
Emanuel: Ich möchte eigentlich schon, dass unsere Tochter zumindest bis zur fünften Schulstufe in eine öffentliche Schule geht. Es gibt auch viele gute Schulen in Wien. Durch meinen Beruf komme ich viel herum und werde auch hinzugezogen, wenn es Probleme in einer Schule gibt. Da bekommt man einen guten Einblick.

Nicht alle Eltern machen alles gerne. Vorlesen, spielen, Windelwechseln… worin bist du als Mama gut?
Corinna: Im Rausgehen.

Im Rausgehen? (lacht!). Was heißt das?
Corinna: Ich meine, ich kann gut mit ihnen auf den Berg gehen oder Schwimmen. Also Aktivitäten an der frischen Luft. Spielen, Bausteine stapeln und sowas mag ich gar nicht gerne. Aber das müsst ihr jetzt auch zugeben, dass das sehr langweilig sein kann.

Ja, geben wir gerne zu!
Emanuel: Ich bin gut im Puppenspielen. Ich mache das auch sehr gerne. Puppenspielen ist gar nicht langweilig! Da entwickeln sich oft die spannendsten und lustigsten Geschichten. Wenn ich Dienst im Frauenhaus mache, spiele ich oft mit den Kindern im Puppenhaus. Man findet leichter Zugang zu ihnen, wenn sie sich über die spielerische Brücke ausdrücken können. Sie packen dann auch oft ihre persönliche Geschichte in die Puppenfamilie.

Sind im Frauenhaus Männer nicht verboten?
Emanuel: Ja, ich bin der einzige. Meine Aufgabe ist es, ein anderes Männerbild zu transportieren. Ich befasse mich mit den Kindern, aber ich koche auch und wasche ab.

Nehmen die Kinder wahr, dass du abwäschst, obwohl du ein Mann bist?
Emanuel: Ja, sie schauen schon. Oft wollen mir die anderen Frauen die Arbeit abnehmen. „Wir können das besser,“ höre ich auch oft. Da muss ich mich dann durchsetzen (lacht).

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Wollt ihr auch heiraten?
Emanuel: Ja. Wir wollten eigentlich diesen Sommer heiraten – standesamtlich nicht kirchlich. Wir wollten Ja zueinander sagen und eine gute Party feiern. Aber plötzlich war Corinna schwanger. Und wir dachten uns: Da können wir ja nicht richtig Party machen!
Corinna: Das war wirklich ein wenig überraschend. Daher haben wir die Hochzeit verschoben.

Könnt ihr euch vorstellen, in Zukunft eure Kinder zu den Großeltern zu packen und längere Reisen zu machen?
Emanuel: Auf jeden Fall. Wir fahren z.B. gerne zum Burning Man in die Black Rock Wüste (ein einwöchiges Festival in den USA, zu dem jedes Jahr ca. 48.000 Leute kommen). Dort haben wir sogar schon mal geheiratet. Aber die Ehe wird nur für eine Woche geschlossen.
Corinna: Letztes Mal war sogar mein 70-jähriger Papa mit dort.

Echt? Ist er ein Alt-68er?
Corinna: Nein. Eigentlich gar nicht. Ein Verwaltungsbeamter in Pension. Aber er wollte das unbedingt sehen und ist mitgekommen. Er war wie ausgewechselt, hat eine neue Welt für sich entdeckt. Ist um 1 Uhr ins Zelt zum Schlafen gekommen, und um 2 Uhr wieder mit dem Rad davon gefahren, weil er das nächste Spektakel sehen wollte. Er will unbedingt wieder hin.
Emanuel: Daher werden wir wohl auf ihn nicht zurückgreifen können, wenn wir für den Burning Man einen Babysitter brauchen (lacht)! •

Interview: Patrice Fuchs
Fotos: Elsa Mährenbach

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