Dieser Mann ist Rektor eines schwedischen Gymnasiums

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Er heißt Hamid und ist ein verdammt guter Rektor. Beim ersten Anblick ist er eine Schreckgestalt für rechte Trolls.

In Göteborg, an der schwedischen Westküste, gibt es eine Schule, die bis vor kurzem als verloren galt. 98% Kinder mit Migrationshintergrund. Vandalismus und Unruhe. Nur 33% schafften die Maturareife.

Wer sich wundert, dass hier überhaupt von Maturareife gesprochen wird, hier vorab zur Info:

In Schweden gehen so gut wie alle Kinder in die Oberstufe. Es gibt keine Hauptschule. In Österreich ist die Maturaquote daher von Haus aus schon bei nur 40%. In Schweden liegt sie durchschnittlich bei 76%. Unter den 24% die keine Matura machen, finden sich vor allem Kinder von MigratInnen und von Eltern mit niedriger Schulbildung. Trotzdem gehen die meisten dieser Kinder in die Schule bis sie 18 Jahre alt sind und werden daher länger gefördert. Die Schule in Göteborg lieferte jedoch eine Performance die weit unter dem nationalen Durchschnitt lag.

Doch 2015 übernahm Hamid die Schule.

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Als erstes arbeitete er neue Leitlinien für den Lehrkörper aus. Dann stellte er die LehrerInnen vor die Wahl entweder an seinen Zielen mitzuarbeiten oder die Schule zu verlassen. Dies führte natürlich zu groben Auseinandersetzungen – auch mit der Gewerkschaft.

Reih und Glied

Danach führte er einerseits strenge Regeln ein: Vor der Stunde stellen sich die Eleven nun in Reih und Glied auf und begrüßen die LehrerInnen durch Handschütteln einzeln. Dabei darf nicht vergessen werden, dass es in Schweden kein „Sie“ gibt. SchülerInnen und LehrerInnen duzen sich also immer. Das macht dieses Zeremonie weniger Bundesheer-artig. Sie soll zu Anfang des Tages eine Ordnung schaffen und die Begegnung zwischen LehrerInnen und SchülerInnen individuell bewusster machen.

Wer in der Schule vandalisiert, bekommt eine Rechnung für die entstandenen Kosten mit nach Hause. Da die Bücherei in den Jahren davor regelrecht geplündert worden war, verlangte Hamid, dass die Eltern der betreffenden Schüler die Kosten ersetzten.

Der Lehrkörper winkte ab: Die Eltern könnten sich das nicht leisten und würden daher nicht zahlen. Hamid wollte das nicht einsehen. Er setzte sich hin und schrieb einen Stapel 10€ Rechnungen und schickte sie den Eltern nach Haus, deren Kinder die Bücher nicht zurückgegeben hatten.

Die Bücherei war bald wieder gefüllt und in Zukunft gingen keine Bücher mehr verloren.

Geschultes Personal ist das Um und Auf

Außerdem kritisierte Hamid folgende Denke, die das Rektorat zuvor verfolgt hatte: Je mehr Erwachsene an der Schule sind, desto besser. Stattdessen verfolgte er das Prinzip: Je mehr gut ausgebildete Erwachsene an der Schule sind, desto besser. Sie müssen sowohl Schwedisch können als auch eine akademische pädagogische Ausbildung haben.

Die Ausbildung der PädagogInnen ist tatsächlich ein hochwirksamer Faktor.  Auch in Kindergärten hat es sich gezeigt, dass die allerwichtigste Komponente für einen guten Kindergarten, nicht das Betreuungsverhältnis oder der gute Wille per se sind, sondern der Ausbildungsgrad der BetreuerInnen. Es ist vorteilhafter 2 gut ausgebildete PädagogInnen einzusetzen als nur eine mit zwei Hilfskräften.

Je höher ihre pädagogische Ausbildung desto wirksamer ist ihr Einsatz. Der Tagesablauf wird besser strukturiert, die Zusammenarbeit der PädgagoInnen effektiver, es herrscht mehr Fairness und es werden Inhalte so verpackt, dass die Kinder sie besser verstehen können.

Hamid reduzierte deswegen die Anzahl an BetreuerInnen und steigerte dafür die Zahl der gut ausgebildeten LehrerInnen oder SozialarbeiterInnen.

Das größte Manko der schwedischen JunglehrerInnenschaft ist seiner Meinung nach, dass ihnen zu wenig Methodik beigebracht wird. Aber die sei notwendig um eine heterogene Klasse zu beschulen.

Gezielte Förderung

Als wichtigsten Punkt betrachtet Hamid jedoch die Leistungskontrolle, die von schwedischen Schulen, seiner Meinung nach,  generell vernachlässigt wird.

Hamid: „Die Forschung zeigt eindeutig, dass alle Menschen davon profitieren, wenn man von ihnen Leistung erwartet. Ich erlebe aber oft, dass KollegInnen fürchten, dass Erwartungen an die Kinder die Einschränkung deren individuellen Freiheit mit sich führt. Doch das hängt nicht zusammen.“

Er läßt alle Kinder alle 8 Wochen testen. Aber nicht um unter Druck zu setzen, sondern weil er wissen will, wer was noch nicht kann.

Haben wirklich alle das 1×1 intus und wieviele Worte können sie in der Minute lesen? Alle Jugendliche die unter einem bestimmten Standard fallen, erhalten sofort Stützunterricht.

Denn wer das 1×1 nicht schafft, kann auch nicht Wurzel ziehen. Wer nicht ein Mindestmass an Worte in der Minute lesen kann, kann auch keine komplexen Textes innerfassend lesen.

Bereits nach 3 Jahren ist die Anzahl der SchülerInnen mit Maturaabschluss auf 44% gestiegen (und liegt an dieser schwedischen Brennpunktschule bereits über den österreichischen Schnitt) . Wenn man die Erstklässler rausrechnet, liegt der Schnitt sogar auf 66%.

Hamid weißt darauf hin, dass vor allem junge Burschen die Maturareife brauchen, um eine Chance im Leben zu haben und auch um sie von „alternativen“ Karrierewegen abzuhalten. Die Jugendlichen in den Vororten haben ohne Matura kaum eine andere Möglichkeiten als auf der Strasse abzuhängen und dort ihre Referenzen fürs Leben zu holen.

Seine Prinzipien lauten also zusammengefasst: Man muss den Kindern klare Strukturen vorgeben, ihre Kompetenzen regelmässig abprüfen, ihnen was zutrauen und daher auch abverlangen und in kompetente hochausgebildete LehrerInnen investieren, die genau dort ansetzen, wo die Kinder Hilfe brauchen. 

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