Ich will nicht mehr spielen

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Im Sinne eines Ceterum censeo schreib ich ab jetzt am besten immer: Ich liebe meine Kinder. Ehrlich.

Aber ich will nicht mehr spielen. Ehrlich.

Jedes Mal, wenn meine Tochter sagt: „Mama, wollen wir was spielen?“, sinkt mein Herz. Oh Himmel, bitte nicht. Lass diesen Kelch an mir vorüber gehen. Spielen mit meinem jüngeren Kind ist nämlich nicht das, was man sich gemeinhin drunter vorstellt. Einfache Brettspiele oder so. Schnipp Schnapp. Uno. Schwarzer Peter. Nein. Regeln werden grundsätzlich abgelehnt oder ignoriert bzw. wird bei vorübergehender Beachtung und erstem, kleinen Misserfolg das ganze Spielmaterial mit Wutgeschrei im Zimmer verteilt.

Verstecken spielen zum Beispiel ist ja sonst wirklich lustig, ist aber für sie nur ein Vorwand, mir eine minutiös ausgetüftelte Choreografie vorzugeben, der ich absolut wortgetreu zu folgen habe. Muss ich erwähnen, dass sie mir vorher sagt, wo sie sich verstecken wird? „Ich verstecke mich unter der Decke und dann suchst du mich und du findest mich niemals und dann sagst du, wo ist denn bloß mein Schatzi, ist sie da…, ist sie dort…?“ Oder ich muss sie als Geschenk auspacken: Augen zumachen, bis sie von unter der Decke „Überraschung“ ruft, dann mit der „Schere schneiden“ (in diverse Körperteile zwicken) und das „Papier aufreißen“ (Decke theatralisch wegreißen) und dann krieg ich ein Baby (oh my!), das herumraunzt und die Gliedmaßen gen Himmel reckt.

Ich habe also keinerlei Möglichkeit, mich in diesen Spielen irgendwie zu entfalten. Variationen im Spiel sind höchstens äußerst sparsam und sehr vorsichtig einzusetzen, da sie widrigenfalls schrilles „Nein, das ist falsch“-Gekreisch und neuerliche Wutanfälle auslösen.

Nicht zuletzt deshalb sind wir eine Fernsehfamilie. Wir sind auch eine DVD- und Computer-Familie. Auch eine Konsolen-Familie. Der Zugang meiner Kinder zu den Geräten ist wirklich schockierend offen: Sie müssen zwar fragen, aber ich hab mich dabei beobachtet, dass ich fast immer ja sage. Ich komme dadurch dazu, mein eigenes Leben rudimentär fortzusetzen, was neben dem Schreiben und Lesen auch regelmäßig wiederkehrende, aufregende Dates mit meiner Waschmaschine miteinschließt: Ich streichle sie und schlage sie, öffne sämtliche Filter und Abflussschläuche, nehme die Schuld auf mich, weil ich etwas alten Reis in den Abfluss habe laufen lassen, den sich die Waschmaschine mit dem Geschirrspüler und der Abwasch teilt und kann dann, nach einem erleichterten, versöhnlichen Rülpser aus den Schläuchen, wieder davon ausgehen, dass die Fehlermeldung erst kurz vor dem Schleudergang kommt. Dann muss ich nur noch die Hälfte der Wäsche rausnehmen und zwei extra Schleudergänge machen. Mit so viel Eigensinn komm ich gerade noch zurecht, meine Tochter hat mir das beigebracht.

Natürlich schaue ich auch viel fern und am schönsten ist es, wenn die weltbeste animierte Kindersendung kommt und wir aus allen Ecken der Wohnung zum Fernseher stürmen: Tom und das Erdbeermarmeladebrot mit Honig. Die Folgen rund um Tom, der jedes Mal auf der Suche nach einem Erdbeermarmeladebrot mit Honig ist und am Ende immer nur ein halbes bekommt, das ihm so gut schmeckt, als wär’s ein ganzes gewesen, sind eigentlich philosophische Kleinodien rund um Begehren, Sinnsuche und Mitgefühl. Man muss sie aber nicht so sehen, man kann auch einfach nur die pointiert gezeichneten Charaktere mögen (meine Favourites: Mine und Mona, die Motzer), über die skurrilen Witze lachen und sich freuen, dass der gute Tom am Schluss immer kriegt, was er sucht, wenn er sich auch nicht daran überfressen kann. Er jedenfalls verbringt am Ende immer den restlichen Tag mit seinen Freunden und ist wunschlos glücklich.

So jemanden kann man sich doch durchaus zum lebenslangen Vorbild nehmen.

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2 Kommentare

  1. …und das spiel Schere schneiden darf ich auf keinen Fall meinen Kindern erzählen:-). Hier hat das jüngste Kind letzten auch ein Spiel erfunden, es hieß (ohne SCheiß): die gute Putzfrau!
    …überhaupt so ein lieber Eintrag!

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